Nach dem klaren Erfolg für die SPD und dem beispiellosen Wahldesaster der CDU bei der Berlin-Wahl beraten die Parteigremien heute über die künftige Regierungskoalition. Der Regierende SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit muss sich nach der vorgezogenen Wahl vom Sonntag zwischen einem Bündnis mit der PDS und einer Ampelkoalition mit FDP und Grünen entscheiden. Die SED- Nachfolgepartei PDS wurde in der Hauptstadt elf Jahre nach der Wiedervereinigung fast so stark wie die CDU. Aus der SPD kamen Warnungen vor einem rot-roten Bündnis, aber auch Stimmen für eine Zusammenarbeit mit der PDS. Bei der Union dürfte erneut die Frage der Kanzlerkandidatur eine Rolle spielen.
SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sagte am Sonntagabend, SPD, Grüne und FDP hätten eine Mehrheit, um zu regieren. »Lasst uns versuchen, das hinzubekommen, was in einer Ampel möglich ist.« Die Bundes-SPD hatte Vorbehalte zu einer Zusammenarbeit mit der PDS geäußert, nachdem sich die Partei gegen die US-Angriffe in Afghanistan ausgesprochen hatte.
Die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis und ihre niedersächsischer Amtskollege Sigmar Gabriel (beide SPD) äußerten sich skeptisch zu Rot-Rot. Simonis sagte, sie könne sich »nicht vorstellen, dass die Berliner SPD leichtsinnig eine Koalition eingeht, und dabei die Bundespolitik aus dem Blick verliert«. Gabriel meinte in der »Neuen Osnabrücker Zeitung«, wirtschaftliche und soziale Bedingungen müssten so verändert werden, dass es zu einer politischen Einheit in Berlin komme. Dies sei mit der PDS nicht zu machen.
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner (SPD), verteidigte ein mögliches rot-rotes Bündnis. In der Berlin Landespolitik »wird keine Außenpolitik für die Bundesrepublik gemacht«, sagte er der »Leipziger Volkszeitung«. CDU-Chefin Angela Merkel bekräftigte am Wahlabend den Zeitplan für die Kanzlerkandidatenkür in der Union: »Diese Wahl hat bundespolitisch keine Auswirkung.« CDU und CSU hatten immer wieder betont, sie wollten sich Anfang 2002 auf einen Kandidaten einigen.
»Die Meckerei muss aufhören«
CSU-Landesgruppenchef Michael Glos sagte der »Leipziger Volkszeitung« zwar, der Zeitplan zur Kandidatenkür solle eingehalten werden. Allerdings mahnte er die CDU: »Sie muss vor allem ihre personellen Konstellationen überdenken. Das heißt, wir brauchen eine starke Mannschaft.« CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer sagte in den ARD-Tagesthemen, CDU und CSU könnten nur geschlossen Wahlen gewinnen. »Die Meckerei an Absprachen« müsse beendet werden.
Der seit vier Monaten amtierende Wowereit kam nach dem Nachkriegstief von 22,4 Prozent 1999 nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 29,7 Prozent. Er schloss eine Regierungsbeteiligung der PDS nicht aus. Wowereit sagte, er wolle »eine starke Mehrheit für fünf Jahre«. Die PDS legte fast 5 Punkte auf 22,6 Prozent zu. Fast jeder zweite Wahlberechtigte im Ostteil der Stadt wählte die Partei. Auch im Westen übersprang sie erstmals die Fünf-Prozent- Grenze.
CDU nicht mehr stärkste Kraft in Berlin
Die CDU brach mit Frank Steffel von 40,8 Prozent vor zwei Jahren um rund 17 Punkte auf 23,7 Prozent ein und ist erstmals seit der Wende nicht mehr stärkste Kraft in Berlin.

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Die FDP zog nach sechs Jahren mit 9,9 Prozent wieder ins Parlament ein und erreichte das beste Berliner Ergebnis seit 1954. Die Grünen kamen auf 9,1 Prozent und erlitten damit zum 18. Mal in Folge bei einer Wahl in Bund und Ländern Verluste. FDP-Chef Guido Westerwelle forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf, eine rot-rote Koalition zu verhindern. Ein solches Bündnis wäre auch international ein »verheerendes Signal«, sagte er in der ARD-Sendung »Sabine Christiansen«.
Für die SPD stimmten nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 29,7 Prozent. (1999: 22,4) Die CDU kam auf 23,7 Prozent (40,8). Die PDS erzielte 22,6 Prozent (17,7). Die FDP konnte 9,9 Prozent (2,2). Für die Grünen votierten 9,1 Prozent (9,9). Die Wahlbeteiligung lag bei 68,2 Prozent (1999: 65,5).
Insgesamt wird es im Abgeordnetenhaus 141 Sitze geben. Die SPD kam auf 44 Mandate, die CDU auf 35. Die PDS erhielt 33 Sitze, die Grünen 14 und die FDP 15. Danach hätte ein rot-rotes Bündnis 77 Sitze, eine Ampelkoalition 73 Mandate. 71 Sitze sind für die Mehrheit notwendig.