Es geht um das Betreuungsgeld, jenen Vorschlag der CSU, auch Eltern, die zu Hause bleiben, einen monatlichen Betrag zu zahlen - nämlich 150 Euro. Von Kritikern als "Herdprämie" geschmäht versuchten die Bayern in den vergangenen Monaten, ihren Kampf für dieses Betreuungsgeld gleichsam als Gegenschlag der Konservativen gegen die vermeintlich zu liberale Familienpolitik der CDU-Ministerin Ursula von der Leyen zu inszenieren. Die SPD ist natürlich gegen den Vorschlag - unbezahlbar, heißt es aus dem Finanzministerium, aber auch ein guter Teil der Unionisten von der CDU kann sich so recht nicht für die Münchner Idee erwärmen.
"Das Prioritäre ist die Betreuung"
Am Mittwoch ist nun auch Bundeskanzlerin Angela Merkel höchstselbst auf Distanz zum Betreuungsgeld gegangen. Vorrang habe zunächst der geplante Rechtsanspruch auf ein Betreuungsangebot für Kleinkinder, sagte die CDU-Chefin in der Haushaltsdebatte des Bundestags. Diese Debatte wird gemeinhin zu einem Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition über die Regierungspolitik insgesamt genutzt. Erst wenn der Rechtsanspruch auf Betreuung verwirklicht sei, sagte Merkel, gehe es um jene Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Krippe geben wollten. "Das Prioritäre bis 2013 ist jetzt erst einmal die Betreuung der Kinder unter drei. Das ist eine ganz klare Verabredung."
Huber beharrt auf Zahlung
Die CSU sowie mehrere Ministerpräsidenten der CDU wollen das Betreuungsgeld ab 2013 zahlen. Sie peilen eine Größenordnung von 150 Euro pro Kind im Monat für Eltern an, die ihren Nachwuchs zu Hause betreuen. Vor allem die CSU pocht darauf, den Rechtsanspruch auf Betreuungsangebote und die Einführung des Betreuungsgeldes in dieser Wahlperiode gleichrangig per Gesetz zu verankern. stern.de hatte der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber, der aussichtsreichste Kandidat auf den Posten des künftigen CSU-Chefs, in der vergangenen Woche gesagt, dass die CSU auf "Biegen und Brechen" am Betreuungsgeld festhalte.
Kanzlerin wirbt für Online-Durchsuchung
Insgesamt zog Merkel in der Debatte eine positive Bilanz ihrer Politik. Deutschland habe wieder allen Grund zur Zuversicht. Es gebe so wenig Arbeitslose wie zuletzt vor zwölf Jahren, so viele Erwerbstätige wie nie seit der Wiedervereinigung, und ein ausgeglichener Haushalt ohne neue Schulden werde spätestens 2011 erreicht, sagte die CDU-Chefin im Plenum. Sie warb zudem dafür, alle drei Afghanistan-Mandate der Bundeswehr zu verlängern und der Polizei die Online-Durchsuchung von Privatcomputern zu gestatten.
"Wirtschaftlicher Erfolg ist kein Selbstzweck"
Merkel nannte es eine "großartige Erfolgsgeschichte", dass Deutschland den Aufbau Ost und die Globalisierung gleichzeitig bewältigt habe. Die Regierungskoalition aus Union und SPD habe mit der Politik des Sanierens, Reformierens und Investierens die Weichen richtig gestellt. Als Ziel gab sie aus, möglichst alle Menschen am Aufschwung teilhaben zu lassen. "Wirtschaftlicher Erfolg ist kein Selbstzweck", sagte sie. Es gehe vielmehr um ein lebenswertes Deutschland und "Arbeit für alle". Neben zusätzlichen Jobs seien auch bessere Bildungschancen nötig, sagte sie. Schon bald werde die Koalition zudem Vorschläge machen, wie Beschäftigte besser am Erfolg ihres Unternehmens beteiligt werden können.
Merkel zeigte sich entschlossen, den Wertekanon von Demokratie und Freiheit gegen Terroristen aus dem In- und Ausland zu verteidigen. Die Befürchtung, Deutschland entwickele sich zu einem Polizeistaat, nannte sie "Unsinn". Im Gegenteil habe die Koalition stets die Balance zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten gewahrt und nie ein Klima lähmender Angst zugelassen. Sie warb bei der skeptischen SPD-Fraktion für die Online-Durchsuchung und sagte: "Es darf keine Räume geben, wo Sicherheitsbehörden keinen Zugriff haben, dies aber natürlich auf rechtstaatlicher Basis." Merkel befürwortete die Verlängerung der Bundeswehreinsätze in Afghanistan. Die Schutztruppe müsse so lange im Land bleiben, bis die afghanischen Sicherheitskräfte Herr der Lage würden. Zum Anti-Terror-Einsatz "Operation Enduring Freedom", der von SPD-Politikern und Opposition am heftigsten kritisiert wird, sagte Merkel: "Diese Sorgen nehme ich sehr ernst."
"Deutschland ist nicht erpressbar"
Sie verwies aber darauf, dass der Einsatz durch UN-Resolutionen und auch von der afghanischen Regierung gedeckt werde. Mit Blick auf die Geiselnahmen Deutscher im Irak und in Afghanistan sagte Merkel, die Regierung unternehme zwar alles, um Geiseln zu retten. "Aber erpressbar ist Deutschland nicht."´
Linksfraktionschef Oskar Lafontaine kritisierte die Aussage Merkels scharf, Deutschland habe wieder Grund zur Zuversicht. "Sie reden völlig über die Köpfe der Menschen hinweg", sagte er. Für Arbeitnehmer, Rentner, Sozialhilfeempfänger und Kinder in Armut gelte diese Aussage nicht. Lafontaine forderte einen gesetzlichen Mindestlohn und unterbezahlte Leiharbeit zu bekämpfen. Auch müsse Hartz IV wieder weg. Da in Deutschland 2,5 Millionen Kinder in Armut lebten, müsse der Kinderzuschlag erhöht werden. Der FDP-Finanzexperte Rainer Brüderle sagte, die Regierung betreibe eine Politik "á la Woodstock": "Jeder darf spielen, was er will, alle wollen die Welt verbessern, und Geld spielt keine Rolle."