Wer hatte gesagt, die bundespolitischen Auswirkungen der Landtagswahl in Bremen seien gering? Sollte die SPD im kleinsten Bundesland die Koalition mit der CDU kippen und stattdessen mit den Grünen zusammengehen, würde die rot-schwarze Bundesregierung ihre absolute Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat verlieren. Folge: bei Verfassungsänderungen, etwa dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren, hätte die Opposition ein Wörtchen mitzureden.
Seit dem Regierungswechsel von Rot-Rot zu Rot-Schwarz in Mecklenburg-Vorpommern im Herbst 2006 hat die große Koalition im Bundesrat 47 von 69 Stimmen und liegt damit eine Stimme über der Zwei-Drittel-Mehrheit. Bremen verfügt über drei Stimmen. Gingen diese an Rot-Grün, blieben der großen Koalition nur noch 44 Stimmen - zwei zu wenig, um Änderungen des Grundgesetzes im Alleingang zu beschließen.
Und bislang deutet viel daraufhin, dass Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) lieber mit den Grünen koalieren wolle, als das Bündnis mit der CDU weiterzuführen. Zumindest äußert er sich distanziert darüber: Zwar würde er mit beiden Parteien Sondierungsgespräche führen, im gleichen Atemzug aber machte Böhrnsen deutlich, dass er im Wahlkampf bewusst auf eine Koalitionsaussage verzichtet habe - auch um deutlich zu machen, dass nach zwölf Jahren großer Koalition in Bremen kein Automatismus für eine Fortsetzung entstehen sollte.
Die Spitzenkandidatin der Bremer Grünen, Karoline Linnert, kündigte an, ihre Partei stellte bei den Gesprächen mit der SPD keine Vorbedingungen und würde über alles reden. "Eine Fortsetzung der großen Koalition wäre schlecht für das Land". Die Bundesvorsitzende Claudia Roth sagte nach dem besten jemals erzielten Wahlergebnis von 16,4 Prozent, selbstbewusst über die Verhandlungen: "Wir sagen ja nicht, bitte, bitte, nehmt uns mit".
Auch bei der Linkspartei, dem zweiten Sieger der Landtagswahlen, herrscht eitel Sonnenschein: Der Einzug in die Bremer Bürgerschaft sei der Durchbruch im Westen und ein historisches Ereignis. "Jetzt sind wir eine gesamtdeutsche Partei und können nur noch stärker werden", sagte Parteichef Lothar Bisky. Die Linke ist mit 8,4 Prozent der Stimmen erstmals in einen westdeutschen Landtag eingezogen. Damit sei bewiesen, dass auch eine Partei links von der SPD in Landtage der alten Bundesländer einziehen könne, so Bisky. "Das ist ein sensationell gutes Ergebnis." Linksfraktionschef Oskar Lafontaine glaubt sogar, das Ergebnis in Bremen werde die Parteienlandschaft sich dauerhaft verändern.
Aus Sicht der CDU ist die SPD verantwortlich für den Erfolg der Linken. Generalsekretär Ronald Pofalla sagte, mit der Mindestlohndebatte hätten die Sozialdemokraten der Linkspartei die Möglichkeit gegeben, "ihre linken Phrasen zu dreschen und damit hoffähig zu werden". Die Sozialdemokraten sind wenig begeistert über den Erfolg der Linkspartei und wollen Distanz zu ihr wahren. "Die SPD wird mit den Menschen reden, die die Linkspartei gewählt hätten - aber nicht mit den Funktionären", sagte der Vorsitzende Kurt Beck, und: Es werde keinen Wettbewerb um Populismus geben.