Die Landtagswahlen am 2. Februar in Niedersachsen und Hessen werden auch in Berlin mit riesiger Spannung erwartet. Aus bundespolitischer Sicht geht es für die Union vor allem um eine Revanche für die knappe Wahlniederlage bei der Bundestagswahl am 22. September. Die SPD dagegen will endlich aus ihrem seit Wochen anhaltenden Tief in den Meinungsumfragen heraus und eine politische Gegenoffensive einleiten. In Niedersachsen, dem politischen Heimatland von Bundeskanzler Gerhard Schröder, steht zudem auch das persönliche Prestige des SPD-Chefs auf dem Spiel.
Machtverlust in Niedersachsen wäre fatal
Kommt es in Hannover für die SPD und ihren Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel zum Machtverlust, dürfte nämlich auch das politische Ansehen Schröders erheblichen Schaden nehmen. Dabei hätte selbst ein totales Desaster für die SPD in Hessen wie in Niedersachsen auf die dem rot-grünen Regierungslager im Bundesrat ohnehin fehlende Mehrheit kaum Auswirkungen. Die Stellung der Union würde zwar weiter gefestigt. Dennoch bekäme sie keine Zwei-Drittel-Mehrheit in der Länderkammer, mit der sie nach Artikel 77 Absatz 4 des Grundgesetzes praktisch alle Gesetze des Bundestages blockieren könnte.
Derzeit verfügt der von CDU/CSU dominierte Block im Bundesrat über 35 der insgesamt 69 Stimmen. Ginge Niedersachsen an die CDU, kämen weitere 6 Stimmen hinzu. Spekulationen über eine von vielen als unausweichlich angesehene große Koalition auf Bundesebene weisen SPD und Union heute noch weit von sich.
Für die SPD wären gleichwohl die innerparteilichen Folgen eines Machtverlustes in Niedersachsen fatal. Immerhin hatte Schröder als Ministerpräsident mit seinem glänzenden Wahlsieg vom 1. März 1998 nicht nur die klare absolute Mehrheit im Landtag in Hannover errungen. Er schaffte damit zugleich die Voraussetzungen für eine Kanzlerkandidatur und schlug seinen SPD-Konkurrenten Oskar Lafontaine aus dem Feld. Eine Niederlage in Niedersachsen würde für Schröder in der SPD offenen Gegenwind bedeuten und könnte seine Stellung auch als Parteichef nachhaltig schwächen.
Denn der Kanzler hat mit seinem überraschenden Veto gegen die Vermögensteuer im Dezember die Wahlkampfstrategie des populären Ministerpräsidenten Gabriel arg durcheinander gebracht. Dieser hatte seine ganze Wahlkampfkonzeption darauf abgestellt. Mit dem Geld der Wohlhabenden sollte vor allem das niedersächsische Bildungssystem auf Vordermann gebracht werden. Wieweit nun die von der Bundesregierung ersatzweise vorgesehene Zinsabschlagsteuer greifen wird, bleibt noch abzuwarten. Jedenfalls hat nach dem Fehlstart von Rot-Grün auf Bundesebene auch das Hin und Her um die Vermögensteuer bei der SPD in Niedersachsen wie Hessen erheblichen Frust hinterlassen.

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Testwahl für die Ära Schröder
Dabei hatten sich die Sozialdemokraten in Hessen nach dem Bundestagswahl-Ergebnis vom 22. September ernsthafte Hoffnungen auf einen Machtwechsel im Wiesbadener Landtag gemacht. Denn nach dem bundesweit schlechten Abschneiden der FDP und nach der Möllemann- Affäre bangen die Liberalen um den Einzug ins Landesparlament, den sie vor vier Jahren ohnehin nur ganz knapp schafften. Die FDP sicherte dem CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch zwar die Mehrheit. Doch der setzt nach jüngsten Umfragen auf die absolute Mehrheit und will die Landtagswahl erneut zu einer Art Volksabstimmung über die rot-grüne Ausländer- und Zuwanderungspolitik auf Bundesebene machen.
Kurioserweise stehen bei den Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen mit Gabriel und Koch zwei Kandidaten zur Wahl, die in ihren Parteien als "Kronprinzen" für künftige Führungsrollen auch auf Bundesebene gesehen werden. So kann der 2. Februar unverhofft auch zu einer ersten Testwahl für die Ära nach Schröder und CDU-Chefin Angela Merkel werden.