Ganz im Zeichen des Wahlkampfs steht heute die letzte Parlamentssitzung vor der Bundestagswahl. In einer Regierungserklärung will Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Bilanz der rot-grünen Regierungsarbeit ziehen und bei den Wählern um Vertrauen werben. Anschließend will Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel begründen, warum Deutschland einen politischen Neuanfang brauche.
Debatte über Kirchhof-Pläne
Die umstrittenen Steuerpläne des Finanzexperten der Union, Paul Kirchhof, sind ebenfalls Thema der letzten Bundestagsdebatte vor dem 18. September. SPD-Chef Franz Müntefering forderte Merkel auf, Kirchhofs "Streichliste" im Parlament öffentlich zu machen. Die Wähler müssten vor dem 18. September erfahren, was die Union im Falle eines Wahlsiegs an bisherigen Steuervergünstigungen abschaffen wolle. Die SPD wirft Kirchhof vor, "die kleinen Leute" belasten zu wollen.
Der Finanzexperte der Union, Michael Meister, ist der Frage ausgewichen, warum die Liste mit zu streichenden Steuererleichterungen Kirchhofs nicht veröffentlicht wird. Auf die Frage, warum die List nicht einfach veröffentlicht werde, antwortete Meister am Mittwoch in der ARD: "Wir haben unser Regierungsprogramm vorgelegt. In unserem Regierungsprogramm steht klar drin, was die Union in der Steuerpolitik vorhat." Auf die Nachfrage, ob diese Liste überhaupt existiere, sagte der CDU-Politiker: "Ich gehe davon aus, dass, wenn Paul Kirchhof sagt, dass er diese Liste hat, dass er sie auch hat." Sie sei aber nicht Gegenstand des Wahlprogramms. Meister betonte jedoch, er sei ebenso wie Merkel begeistert von Kirchhofs Visionen.
Nach seinen umstrittenen Äußerungen zum Thema Subventionen erhielt Kirchhof Rückendeckung von CDU-Vize Christoph Böhr. Der rheinland-pfälzischer CDU-Chef plädierte dafür, weit mehr Steuervergünstigungen einzuschränken als derzeit von CDU und CSU geplant. "Wenn man sich nicht von allen Abschreibungsmodellen verabschiedet, wird man die Einzeldiskussion über das, was bleibt, und das, was fällt, nicht überstehen", sagte Böhr der "Financial Times Deutschland" (Mittwoch). Kirchhof sei mit seinen Ideen weiterhin ein Zugpferd des Unions-Wahlkampfs.
Streichung von Steuervergünstigungen geplant
Kirchhof hatte nach heftiger Kritik von SPD und Grünen und Widerspruch aus der Union seine Aussagen zu seinen Steuerplänen zurückgezogen. In Schwerin hatte der Schatten-Finanzminister der Union am Dienstag noch erklärt, er hoffe, in den nächsten vier Jahren könnten rund 400 Ausnahmen und Steuervergünstigungen gestrichen werden. Am Abend in Berlin erklärte er dann, er wolle zunächst die steuerpolitischen Vorschläge von CDU/CSU umsetzen. Eine Streichung aller Ausnahmetatbestände sei bis 2009 nicht vorgesehen.
Zuvor hatte der für Finanzen zuständige Unions-Fraktionsvize Michael Meister den radikalen Vorstellungen Kirchhofs widersprochen. "Der Finanzminister wird bis weit ins Jahr 2008 hinein mit der Umsetzung des Merz/Faltlhauser-Steuerkonzepts, der Haushaltssanierung und der Einführung der Gesundheitsprämie ausgelastet sein", sagte Meister der "FTD" (Mittwoch). "Erst danach kann man sich überlegen, wie es nach 2009 steuerpolitisch weitergehen soll." Die Unions- Finanzexperten Friedrich Merz und Kurt Faltlhauser hatten das Konzept ausgearbeitet, das eine Senkung der Steuersätze auf 12 bis 39 Prozent vorsieht. Im Gegenzug sollen teilweise Steuervergünstigungen und Ausnahmetatbestände reduziert oder gestrichen werden.