Bundeswehrreform "Die ganze Welt" als Ziel

Mit einer rigorosen Neustrukturierung stellt Verteidigungsminister Peter Struck die Bundeswehr auf Einsätze überall in der Welt ein. Insgesamt verordnete er für die nächsten Jahre Einsparungen bis zu 26 Milliarden Euro.

Verteidigungsminister Peter Struck hat den Abschied von der alten Bundeswehr besiegelt. Deutschlands neue Armee ist vor allem im Ausland aktiv und ihr Einsatzgebiet ist "die ganze Welt", wie der Sozialdemokrat erklärt. Unter Rot-Grün wird eine Eingreiftruppe eingeführt, die Krisen und Kriege in anderen Ländern beenden soll - der Schritt zum vorsorglichen Angriff auf bedrohliche Staaten nach amerikanischem Vorbild sei da nicht mehr weit, sagen Militärexperten. Früher hätten wohl zumindest die Grünen gegen eine solche Ausrichtung deutscher Streitkräfte protestiert.

Auf die provozierende Frage, ob deutsche Soldaten nun künftig zur "Invasion in die Normandie" geschickt würden, antwortet Struck am Dienstag in Berlin, dass sich die Bundesregierung natürlich kein Eingreif-Szenario wünsche. Glücklicherweise sei die Bundeswehr auch bisher nicht in diese Lage gekommen. Doch in Zukunft sollen 35 000 Eingreif-Soldaten in multinational vernetzten Operationen bei "möglichst geringen eigenen Verlusten" Frieden erzwingen können.

Streichen an allen Ecken und Enden

Angesichts der Geldnot muss Struck nun an allen Ecken und Enden streichen, um internationalen Standard zu gewährleisten und die Streitkräfte in ihren Kernbereichen best möglichst auszustatten. Mit Kürzungen von insgesamt 26 Milliarden Euro - dazu zählen etwa der Verzicht auf ungepanzerte Lastwagen und der Verzicht auf Kampfwertsteigerungen bei Raketen - hat Struck nach eigenen Worten aus der "Wunschliste" eine "realistische Vorhabenliste" gemacht.

Stichwort: Wehrpflicht

Alle wehrfähigen Männer mit deutscher Staatsangehörigkeit sind vom vollendeten 18. Lebensjahr an zum Wehrdienst verpflichtet. Die Wehrpflicht endet mit 45 Jahren. Derzeit stellen die Wehrpflichtigen etwa 131 000 der insgesamt 272 000 Bundeswehrsoldaten. Hinzu kommen 21 000 freiwillig länger dienende Wehrpflichtige, die auch an Auslandseinsätzen teilnehmen können.

Der so genannte Grundwehrdienst dauert 9 Monate. Von den 25 300 Wehrpflichtigen, die Anfang des Monats in die Kasernen einrückten, war ein Drittel arbeitslos. Wer nach derzeitigem Recht den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigert, kann zu 10 Monaten Zivildienst herangezogen werden. Derzeit sind etwa 95 000 Verweigerer im Einsatz.

Für die Union profiliert er sich damit eher als Finanzminister denn als Ressortchef für die Bundeswehr. Struck stört das wenig. Auch wenn sein Herz für die Streitkräfte inzwischen deutlich höher schlägt, als noch zu seinem Amtsantritt im Sommer 2002, hat er seine Sicht als einstiger SPD-Fraktionschef auf die gesamten Probleme nicht verloren. Wenn Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger den Gürtel enger schnallen müssen, will er sich keine Völlerei beim Militär vorwerfen lassen. Generäle bestätigen, dass jahrzehntelang Gerät angeschafft wurde, weil es "schön war, es zu haben". Nicht, weil man es gebraucht hätte.

Struck stören die Versäumnisse der Vergangenheit. Mit einem Seitenhieb gegen seinen Vorgänger Rudolf Scharping (SPD) stellt er fest, dass an den jetzigen Kürzungen die Fehlplanungen der vorherigen Verteidigungsminister Schuld seien. Überhaupt gebe es jetzt "erstmals eine realistische Bundeswehrplanung". Dazu gehört, dass er internationale Verträge wie zum Jagdflugzeug Eurofighter nicht antastet, um Schadenersatzzahlungen zu vermeiden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Wehrpflicht-Debatte als Stachel im Fleisch

Ein Stachel im Fleisch bleibt für Struck die Debatte über die Wehrpflicht. Er hat sich auf ihren Erhalt festgelegt, weiß aber, dass sie kaum zu halten sein wird. Er lässt sich aber nicht gern treiben und so weist er Familienministerin Renate Schmidt (SPD) für ihre ablehnende Haltung zum Wehrdienst und damit zum Zivildienst in die Schranken. Es sei klar, dass sich der in ihrem Ressort angesiedelte Zivildienst nach dem Wehrdienst ausrichte und nicht umgekehrt. Und Chef über den Wehrdienst sei der Verteidigungsminister.

Struck regt auch auf, dass der grüne Koalitionspartner und die FDP die Abschaffung der Wehrpflicht fordern, ohne zu sagen, wie das bezahlt werden soll. Zwar könnte die nun um 35 000 auf 250 000 Soldaten reduzierte Truppe noch einmal um 10 000 Mann verkleinert werden. Mit 200 000 Soldaten sei die Bundeswehr aber nicht zu machen. Das bedeute, dass die vergleichsweise günstigen Wehrpflichtigen durch besser bezahlte Berufs- und Zeitsoldaten ersetzt werden müssten. Die Grünen sehen darin kein Problem. Für sie reichen 200 000 Mann aus.

Bundeswehr auch ohne Wehrpflichtige einsatzfähig

Fest steht schon jetzt: Von 2010 an kann die Bundeswehr ohne Wehrpflichtige auskommen. Denn die Strukturen dafür hat Struck persönlich nun eingeleitet. Auch, wie er sagt, um der Bundeswehr im Falle einer Abschaffung der Wehrpflicht die x-te Reform zu ersparen.

DPA
Kristina Dunz