Also wurden wieder einmal neue Grenzwerte gesetzt, Sperrstunden ausgerufen, ein paar Rechte beschränkt und Pflichten verschäft. Business as usual beim gestrigen Corona-Gipfeltreffen von Bund und Ländern in Berlin. Von der "historischen Dimension", die Kanzleramtschef Helge Braun vorher beschworen hatte, keine Spur. Denn in ähnlicher Form haben wir das alles in den vergangenen Pandemie-Monaten schon mal gehört.
Mit einer anderen Bemerkung, die Braun heute im ARD-"Morgenmagazin" getätigt hat, liegt er dafür umso richtiger – die Beschlüsse seien ein wichtiger Schritt, würden aber vermutlich nicht ausreichen: "Und deshalb kommt's jetzt auf die Bevölkerung an. Dass wir nicht nur gucken: Was darf ich jetzt? Sondern wir müssen im Grunde genommen alle mehr machen und vorsichtiger sein als das, was die Ministerpräsidenten gestern beschlossen haben."
Corona-Maßnahmen: Ein großes "Einerseits/Andererseits"
Ein ziemlich entscheidender Punkt: Manche gültigen Regeln, wie beispielsweise die Maskenpflicht zu bestimmten Uhrzeiten und ausgewählten Straßenabschnitten zwischen beispielsweise den Hausnummern 16 und 38, sind in ihrer Absurdität kaum einzuhalten und erst recht nicht zu überprüfen. Andere dagegen, wie die massiven Beschränkungen für Feiern, sind ausgesprochen bedauerlich, ergeben bei näherer Betrachtung aber immerhin Sinn. Und wie so oft in dieser Pandemie bergen auch die aktuellsten Beschlüsse ein großes "Einerseits/Andererseits".
Aber eigentlich darf es für jeden einzelnen von uns auch gar keine Rolle spielen, was die Politik vorgibt, solange die Situation so alarmierend ist wie zurzeit. Denn in gewisser Weise überschätzen wir gerade jede neue Wasserstandsmeldung aus Landtag oder Kanzleramt – denn: Wer seine Maske bei Hausnummer 39 absetzt, hat ohnehin nicht verstanden, worum es geht. Und dass eine radikale Ansage wie jene von Präsident Macron an das französische Volk hierzulande um jeden Preis vermieden wird, liegt nicht nur am Föderalismus.
Die Politik in Deutschland traut ihren Bürgern ausreichend Disziplin zu, um nicht einen Lockdown wie in anderen Ländern bemühen zu müssen – und zumindest im Frühjahr wurde sie in dieser Annahme bestätigt. Aber die Geduld der Bürger, erst recht in diffuser Lage und angesichts wachsender (Existenz-)Ängste und Sorgen ist endlich, und hier lauert die große Gefahr für die nächste Zeit.
Weshalb den Beschlüssen von Berlin, die sich um Sperrstunden oder Beherbergungsverbote drehen, für Wirtschaft und kleine wie große Unternehmer kaum größere Bedeutung innewohnen könnte – jene Vorgaben aber, die uns als Privatpersonen betreffen, haben höchstens Symbolkraft. Weil sie selbstverständlich sein sollten in dieser Zeit, da es darum geht, Risikopatienten zu schützen oder gefährdete Existenzen zu retten. Und sie werden sich mindestens bis zum Impfstoff nicht ändern.
Es liegt also an uns. Die Maßnahmen bleiben jedenfalls der einzige Beitrag, den wir leisten können, diesem Horror so schnell wie möglich ein Ende zu setzen.