Es ist eine grundsätzlich nachvollziehbare Position: Wenn es in einem knappen Wohnmarkt nur begrenzte Bauplätze gibt, sollen die maximal genutzt werden, so dachten es sich die Grünen. Doch mit einem Beschluss in Hamburg und einem Interview lieferte die Partei ihren Konkurrenten im Bundestagswahlkampf eine Steilvorlage. Die Situation erinnert an vergangene Wahlkämpfe.
Stein des Anstoßes ist die Position der Grünen zu neu gebauten Einfamilienhäusern. In einem Bebauungsplan für den Hamburger Norden waren keine Bauplätze für Einfamilienhäuser vorgesehen. In einem Interview verteidigte der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, diese Entscheidung. "Um für alle bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, müssen die wenigen Flächen, die es gibt, bestmöglich genutzt werden", erklärte er dem "Spiegel". Zudem gebe es angesichts des Klimawandels auch ökologische Gründe, auf die Ressourcen-hungrigeren Einfamilienhäuser zu verzichten. "Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedelung und damit auch für noch mehr Verkehr", so Hofreiter.
Steilvorlage zum politischen Angriff
Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Vor allem aus Union und FDP gab es schnell Kritik. "Von Privateigentum und den Träumen von Millionen von Familien hat die politische Linke noch nie etwas gehalten. Weiter geht es Richtung grüne Verbotspartei mit dem Einfamilienhaus als Feindbild", zitiert die "Bild" Christian Hirte, den Landesvorsitzenden der CDU Thüringen. Die FDP stößt in ein ähnliches Horn. "Die Grünen wollen den Menschen den Traum vom Eigenheim madig machen", sagte Daniel Föst, der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, der "Zeit". "Statt Bürgerinnen und Bürger in DDR-Plattenbauten zu pferchen, müssen wir endlich mehr Menschen den Weg ins Eigenheim ebnen", trieb er die Kritik auf die Spitze.

Die Grünen dürfte das mächtig ärgern. Zum einen, weil sie die Entscheidung in Hamburg gemeinsam mit dem Koalitionspartner SPD getroffen haben, der Sturm der Kritik sich aber nur an ihnen abarbeitet, weil die SPD zwar in Hamburg der Seniorpartner der Koalition ist, sie auf Bundesebene aber deutlich schwächer dasteht als die Grünen. Zum anderen wird die durchaus differenzierte Begründung in der Entscheidung und auch in Hofreiters Interview geflissentlich ignoriert, um im Wahlkampf punkten zu können.
Denn dass die Partei das Eigenheim verbieten will, gibt das Interview gar nicht her. Hofreiter betont sogar, dass natürlich auch im Hamburger Norden neue Einfamilienhäuser gebaut werden dürfen. Aber eben nur an Stellen, an denen das bereits genehmigt sei. Von einer zentralen Regelung, wie es ein allgemeines Verbot ja wäre, grenzt er sich explizit ab. "Mir geht es nicht um Prinzipien, sondern um Lösungen, die funktionieren", betont er im Interview. Deshalb sollten die Kommunen auch selbst entscheiden können, was für sie am besten sei.
Die Grünen und die Einfamilienhäuser – das Problem mit der Zuspitzung
Die Grünen sollten sehr genau überlegen, wie sie mit der Kritik umgehen. Denn die Situation ist für die Partei nichts Neues. Schon in früheren Bundestagswahlkämpfen war die Partei mit guten Umfragewerten gestartet, um dann in einer Debatte um vermeintliche Ungerechtigkeiten zerrieben zu werden. Beispiele waren etwa der Veggie-Day, bei dem die Partei für fleischfreie Tage in den deutschen Kantinen plädierte. Auch die Forderung einer stärkeren Besteuerung von Benzin, um einen schnelleren Wandel in der Verkehrspolitik zu erreichen, war der Partei bereits um die Ohren geflogen. In beiden Fällen hatte die Partei die Forderungen zwar differenziert erklärt, in der Zuspitzung dem Gegner aber eine Steilvorlage geliefert.
In der aktuellen Debatte scheint Hofreiter die möglichen Folgen bereits geahnt zu haben. "Als ich Gemeinderat in Sauerlach war, haben wir im Ortskern ein Gebiet ausgewiesen, da kam kein einziges Einfamilienhaus hin", erinnerte er sich an seine Anfänge in der bayrischen Regionalpolitik. "Bürgermeister war ein CSU-Mann. Deswegen jetzt zu sagen, die CSU habe das Einfamilienhaus verboten, wäre albern." Anders herum scheinen die Konkurrenten diese Beißhemmung aber nicht zu haben.
Quellen: Spiegel (Paywall), Zeit