Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 muss schwierige Fragen zur Erweiterung und zur Verfassungskrise der Union beantworten. Um die Linien dieser und anderer vorrangiger Themen abzustecken und gemeinsame Handlungsmöglichkeiten auszuloten, besucht EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel und nimmt an der wöchentlichen Kabinettssitzung teil.
Traditionell arbeiten der amtierende EU-Vorsitz und die Kommission eng zusammen, um in strittigen Punkten Gemeinsamkeit bei den 25 EU-Staaten herzustellen. Deutschland übernimmt zum Jahreswechsel die Ratspräsidentschaft von Finnland. Zum 1. Juli 2007 gibt die Bundesregierung diese Aufgabe dann an Portugal weiter.
Deutschland übernimmt G8-Vorsitz
Merkel ist gefordert, nach innen wie nach außen zu wirken. Auf europäischen Parkett gilt es, möglichst viele gemeinsame Initiativen möglich zu machen und dafür allseits akzeptierte rechtliche Grundlagen zu vermitteln. Außenpolitisch vertritt die Bundesregierung die EU und ist bei internationalen Krisen Ansprechpartner für Drittstaaten und Organisationen. Zusätzlich zum EU-Vorsitz übernimmt die Bundesregierung im gesamten kommenden Jahr auch die Präsidentschaft der führenden sieben Industrienationen und Russlands (G8).
Politische Höhepunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft dürften drei Gipfeltreffen sein. Am 25. März lädt Merkel die Staats- und Regierungschefs zu einem informellen Treffen nach Berlin ein, um das 50-jährige Bestehen der Römischen Verträge zu feiern. Sie waren die vertragliche Grundlage der Ur-EU. Vorher steht Anfang März in Brüssel schon ein regulärer EU-Gipfel über die Wirtschaftspolitik an. Viele erhoffen sich von den Feierlichkeiten zum Jahrestag der Römischen Verträge wichtige Impulse in der Debatte um die europäische Verfassung. Die Chancen für deren In-Kraft-Treten stehen derzeit schlecht. Franzosen und Niederländer hatten die Verfassung in Volksabstimmungen abgelehnt. Beim regulären EU-Gipfel im Juni in Brüssel soll die Debatte fortgesetzt werden.
Erweiterung 2007 versus Mangel an Demokratie
Nach dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens im kommenden Jahr wird die EU 27 Mitglieder haben. Es herrscht Einigkeit, dass diese vergrößerte Union kaum steuerbar ist ohne vereinfachte Regeln, wie die Verfassung sie vorsieht. Deshalb gelten weitere rasche Beitritte von Balkanstaaten wie Kroatien als unwahrscheinlich.
Die Bundesregierung muss zudem die schwierigen Verhandlungen mit der Türkei voranbringen. Noch immer gibt es dort Mängel an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Als CDU-Vorsitzende ist Merkel zwar weiter gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU. Dennoch will sie als Kanzlerin die Verhandlungen zwischen Ankara und Brüssel fair voranbringen. Bei ihrem Antrittsbesuch in der Türkei sagte sie, Berlin wolle ein verlässlicher Partner sein, was Verträge anbelangt.