Deutschland Angehörige von Erfurt-Opfern stellen Strafanzeige

Angehörige von Erfurt-Opfern stellen Strafanzeige

Hamburg - Knapp zwei Jahre nach dem Blutbad am Erfurter Gutenberg-Gymnasium haben Angehörige der Opfer Strafanzeige gestellt. Das berichtet der stern in seiner neuen Ausgabe. Die Vorwürfe - darunter unterlassene Hilfeleistung und Strafvereitelung im Amt - richten sich formal gegen Unbekannt, zielen aber auf die verantwortlichen Einsatzleiter von Polizei und Rettungsdienst sowie die Staatsanwaltschaft Erfurt und die thüringische Landesregierung.

Die Anzeige wurde laut stern am Montag dieser Woche von dem Erfurter Rechtsanwalt Eric T. Langer an die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft geschickt. Langer ist Lebensgefährte einer der am 26. April 2002 ermordeten Lehrerinnen. Monatelang hat er Zeugen befragt, Ermittlungsakten und Einsatzprotokolle verglichen und ist auf teilweise haarsträubende Tatsachen gestoßen.

So waren laut Anzeige von Anfang an weit mehr Polizisten in der Schule als bisher bekannt. Aus Telefonaten mit Schülern und Lehrern hätten Polizei und Rettungskräfte genau gewusst, wo und wie viele Verletzte auf Hilfe warteten. Informationen seien aber nicht weitergegeben worden oder im Chaos untergegangen.

Bei rechtzeitiger Bergung, so Langer, hätten möglicherweise einige Opfer das Massaker überleben können. Denn mindestens fünf der 16 Opfer seien nach den Schüssen des ehemaligen Schülers Robert S., 19, noch länger als anderthalb Stunden am Leben geblieben. Aber statt die Verletzten zu bergen oder Hilfe zu holen, hätten Polizisten die ganze Zeit teilweise daneben gestanden oder durchsuchte Räume bewacht. Langer wirft den Verantwortlichen vor, Notärzte seien sogar in ihrer Arbeit behindert worden.

In seiner Anzeige heißt es laut stern weiter, dass Totenscheine "wissentlich fehlerhaft ausgestellt" wurden. Ärzte hätten sich der Anordnung eines Staatsanwaltes gebeugt, in die Totenscheine eine Zeit von 10.58 und 11.30 Uhr einzutragen, obwohl mindestens zwei Opfer erst später gestorben seien.

Nach Langers Kenntnis wollen vier weitere Angehörige von anderen Opfern ebenfalls Strafanzeige stellen.