Rasche Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen werden immer wahrscheinlicher. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) stellte sich am Wochenende hinter entsprechende Ankündigungen ihres Fraktionschefs Norbert Römer. Auch der Koalitionspartner Grüne und die oppositionelle CDU signalisierten Bereitschaft zu einem Urnengang. Hintergrund ist der Streit um den Landeshaushalt 2011, gegen den die CDU ebenso wie gegen den Nachtragsetat 2010 eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht angedroht hat. "Wenn die CDU hier die verfassungsgerichtliche Auseinandersetzung sucht, werden wir die Wähler fragen, welchen Weg unser Land nehmen soll", sagte Römer dazu der "Westdeutschen Zeitung" vom Samstag. Kraft steht offensichtlich hinter diesem Vorstoß. Notfalls sollten die Bürger entscheiden, "wie es politisch weitergehen soll", sagte sie dem WAZ-Onlineportal "Der Westen" zu Beginn ihrer fünftägigen Israel-Reise in Jerusalem. "Wir können nicht Politik durch dauernde juristische Entscheidungen ersetzen", fügte Kraft demnach hinzu.
Auch die stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann (Grüne), hat Neuwahlen noch vor den Sommerferien nicht ausgeschlossen. Die rot-grüne Koalition werde sich nicht von taktischen Spielchen der Opposition abhängig machen, sagte die Grünen-Politikerin, die Schulministerin im Kabinett von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ist, am Montag im WDR. Wichtig sei, dass die Regierung handlungsfähig bleibe, und das mache sich am Landeshaushalt fest.
Der NRW-Nachtragshaushalt 2010 sieht wie der reguläre Landesetat für 2011 eine Neuverschuldung von 7,1 Milliarden Euro vor. Die Landesverfassung erlaubt wegen der Schuldenbremse aber nur eine deutlich geringere Nettokreditaufnahme. SPD und Grüne begründen die hohen Defizite mit dem drohenden Zusammenbruch der einstigen Landesbank WestLB, aber auch mit einer "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" nach der Finanzkrise.
Die Landes-CDU warf der rot-grünen Minderheitsregierung vor, sie erhebe das Schuldenmachen zum Regierungsprinzip. Generalsekretär Oliver Wittke sagte im WDR, die Neuverschuldung könne deutlich geringer ausfallen. SPD und Grüne nutzten Einsparmöglichkeiten nicht, zum Beispiel Stellenkürzungen bei den Landesdiensten. Mögliche Neuwahlen bezeichnete Wittke als Abstimmung über die Fortführung einer Schuldenpolitik. Die CDU habe davor keine Angst.