Die Grünen können nach Ansicht des Parteienforschers Jürgen Falter aus der derzeitigen Koalitionskrise in Berlin nur als Verlierer hervorgehen. »Die Grünen stehen so oder so in der Nähe des Abgrundes«, sagte der Politikwissenschaftler am Donnerstag in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Frankfurt. »Entscheidet sich die Fraktion für eine Aufrechterhaltung der Koalition, dann werden viele pazifistisch orientierte Grüne ihre Drohung wahr machen und den Grünen das nächste Mal nicht mehr die Stimme geben.« Setzten sich die Pazifisten aber durch, »werden die grünen Realos vollkommen demontiert. Das wäre das Ende der Koalition.«
Risiko Grünenparteitag
Er gehe davon aus, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bei der Vertrauensabstimmung an diesem Freitag im Bundestag die erforderliche Mehrheit bekomme, sagte Falter. Das eigentliche Risiko für die Koalition sei aber der Rostocker Parteitag der Grünen in eineinhalb Wochen. Zwar sei ein Parteitagsbeschluss für die Bundestagsabgeordneten rechtlich unverbindlich, »aber die Grünen würden sich wahrscheinlich daran halten«. Nach einem Koalitionsbruch würden einige Parteimitglieder zur SPD oder sogar zur FDP wechseln. Das sei beim Außenminister aber unwahrscheinlich, sagte Falter:
»Joschka Fischer wird seine Memoiren schreiben und teure Vorträge halten.« Wenn die Koalition doch halte, würden einige Parteianhänger zur PDS wechseln.
Eine Möglichkeit für die Grünen, das Dilemma aufzulösen, sieht Falter nicht. »Die Grünen müssen es durchziehen. Sie müssen versuchen, die Koalition zu retten, um dann in der Zeit bis zur Bundestagswahl im September 2002 noch zu punkten.« Allerdings wäre die Koalition nach der Krise nicht mehr sehr stabil.
Grüne könnten an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern
Aus Neuwahlen ginge die SPD »mit einem sehr achtbaren Ergebnis« hervor, sagte Falter. Die Grünen könnten allerdings an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. »Sie müssen schon ein bisschen Angst haben.«