Der prominente Kandidat spielte nur 24 Stunden mit. Dann teilte Peer Steinbrück wutschnaubend mit, dass er nicht daran denke, anstelle von Axel Weber oberster Währungshüter Europas zu werden. So wurde ganz schnell aus einem kleinen PR-Coup der SPD, um die Kanzlerin zu ärgern, ein ziemlicher Rohrkrepierer.
Der für klare Worte bekannte Ex-Finanzminister scheute nämlich nicht davor zurück, seinen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier bloßzustellen. "Ich bin bekümmert über dieses Verfahren. Das entspricht nicht meiner Vorstellung, wie Personalfragen gerade dieser Bedeutung gelöst werden können."
Steinmeier hatte seinen Parteifreund zuvor als perfekten deutschen Aspiranten für die EZB-Spitze angepriesen. Doch offensichtlich verstanden sich die beiden "Stones", so werden sie im Berliner Politjargon wegen ihrer Nachnamen geneckt, in einem Gespräch gründlich miss.
Steinbrück wollte wohl gar nicht ins Rennen geschickt werden - was als Oppositionsmann sowie impulsiver Hardliner ähnlich Weber ohnehin ziemlich aussichtslos gewesen wäre. Abgesehen davon fehlt Steinbrück jede Notenbank-Erfahrung für den in der Euro-Schuldenkrise mit erheblichen Inflationsgefahren so wichtigen Topjob bei der EZB.
Steinbrück, der in der großen Koalition zusammen mit Angela Merkel Rettungspakete für Banken und Wirtschaft schnürte, wird sowieso eine andere Karriereplanung nachgesagt. Im Bundestag wirkt er vornehmlich als Hinterbänkler. Steinbrück sitzt im Aufsichtsrat von ThyssenKrupp - und wird eines Tages vielleicht als Ruhrbaron an der Spitze der Krupp-Stiftung in der Essener Villa Hügel das Sagen haben.
Die Bundeskanzlerin dürfte am Wochenende mit Genuss verfolgt haben, wie sich die SPD in der Weber-Debatte desavouiert hat. Prinzipiell war Steinmeiers Vorstoß nämlich durchaus dazu geeignet, Merkels EZB-Bredouille auszunutzen.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin betonte, die CDU-Chefin kassiere eine Blamage nach der anderen. "Merkels deutsche Alleingänge zerbrechen immer wieder an den europäischen Realitäten." Mit ihrem Plan, Weber zum EZB-Präsidenten zu machen, sei die Regierungschefin krachend gescheitert.
Noch sollte man die in der permanenten Eurokrise gestählte Kanzlerin in diesem Punkt aber nicht abschreiben. Womöglich zieht Merkel einen neuen deutschen Kandidaten aus dem Hut. Bei der Besetzung der Bundesbank-Spitze will sie schnell handeln. Schon in den nächsten Tagen wird verkündet, wer ab Mai auf Webers Platz sitzt.

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Denkbar ist eine Interimslösung, bis Merkel ihren engen Vertrauten Jens Weidmann nach Frankfurt ziehen lässt. Überraschungen sind aber nicht ausgeschlossen. Angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Debatte könnte sich die Kanzlerin auch fragen: Ist die Zeit reif in Deutschland für eine Bundesbank-Präsidentin?