Fall Kurnaz Steinmeier schließt Rücktritt aus

Während Außenminister Steinmeier einen Rücktritt ausschließt, werden neue Vorwürfe im Fall Kurnaz gegen ihn laut. Der ehemalige Kanzleramtschef soll direkt in Planungen einbezogen worden sein, die Rückkehr von Kurnaz zu verhindern.

Frank-Walter Steinmeier setzt sich in der "Bild"-Zeitung weiter gegen Vorwürfe zu Wehr, er habe als Kanzleramtschef aktiv eine Rückkehr von Kurnaz nach Deutschland verhindert. "Die Regierung hat sich um Murat Kurnaz gekümmert - auch wenn er einen türkischen und keinen deutschen Pass besaß. Immer wieder haben wir deswegen mit der amerikanischen Regierung gesprochen", sagte er. Einen Rücktritt wegen der Vorwürfe lehnte er ab: "Das steht für mich nicht zur Debatte."

Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer warf Steinmeier in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vor, ein "merkwürdiges Verwirrspiel" zu betreiben. Er müsse jetzt "klar Schiff machen". Der PKG- Vorsitzende Max Stadler (FDP) forderte Steinmeier ebenfalls auf, nicht länger die Öffentlichkeit hinzuhalten. "Das Verwirrspiel muss ein Ende haben", sagte er der Chemnitzer "Freien Presse".

Schreiben belastet Steinmeier

Neue Vorwürfe gegen den heutigen Außenminister und Ex-Kanzleramtschef erhebt die "Berliner Zeitung". Demnach war Steinmeier unmittelbar in die Planungen einbezogen, die Rückkehr des Guantànamo- Häftlings Murat Kurnaz nach Deutschland zu verhindern. In einem Schreiben an den damaligen Innenstaatssekretär Claus Henning Schapper vom 30. Oktober 2002 sei detailliert das rechtliche Vorgehen erörtert worden, mit dem Kurnaz die Aufenthaltsgenehmigung entzogen werden sollte. Es habe mit dem Hinweis "Information Steinmeier" und anderer Beteiligter geendet. Der Zeitung zufolge heißt es in dem Schreiben unter anderem: "Eine Rückkehr in die Bundesrepublik wird offenbar angestrebt. Zwischen Bundeskanzleramt und BMI (Bundesinnenministerium) besteht Einvernehmen, dass eine Wiedereinreise nicht erwünscht ist."

Der in Bremen geborene Türke Kurnaz war im November 2001 in Pakistan festgenommen und US-Soldaten in Afghanistan übergeben worden. Von dort aus wurde er im Februar 2002 nach Guantànamo gebracht, wo er bis August 2006 ohne Prozess saß und nach eigenen Angaben auch gefoltert wurde. Die USA warfen ihm Mitarbeit im Terrornetzwerk El Kaida vor, was nie bewiesen und von Kurnaz immer bestritten wurde.

Kurnaz noch 2005 ein "Sicherheitsrisiko"

Nach einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" hat die Bundesregierung in ihrem Bericht an das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) für die Geheimdienste unterschlagen, dass sie noch 2005 bemüht war, Kurnaz als Sicherheitsrisiko darzustellen. Aus einem internen Vermerk des Auswärtigen Amtes vom 26. Oktober 2005 gehe hervor, dass nach dem Willen des damaligen Innenminister Otto Schily (SPD) und Steinmeiers eine Rückkehr von Kurnaz nicht zuzulassen sei.

Im Bericht an das PKG wurde der Zeitung zufolge auch verschwiegen, dass drei im September 2002 nach Guantànamo entsandte Mitarbeiter von BND und Verfassungsschutz zu einer positiven Einschätzung von Kurnaz gekommen seien. In ihrem Vermerk heiße es: "Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besitzt Kurnaz bei einer Freilassung kein Gefährdungspotenzial hinsichtlich deutscher, amerikanischer oder israelischer Sicherheitsinteressen."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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US-Verteidigungsminister Rumsfeld einbezogen

Einem Bericht des Berliner "Tagesspiegel" (Freitag) zufolge war wahrscheinlich auch der ehemalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in den Fall verwickelt. Er habe 2002 geplant, Kurnaz nur freizulassen, wenn Deutschland bestimmte Bedingungen erfülle. So hätte der US-Geheimdienst CIA zusammen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz Kurnaz in Deutschland als Spitzel führen sollen.

DPA · Reuters
DPA/Reuters