Bundeskanzlerin Angela Merkel will innerhalb von etwa vier Wochen Klarheit über Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur schaffen. Die Regierungschefin umriss am Montag vor dem Bundeskabinett erste inhaltliche und zeitliche Eckpunkte der möglichen Hilfen. Das Vorziehen der steuerlichen Absetzbarkeit von Beiträgen zur Krankenversicherung, über das im Vorfeld heftig spekuliert wurde, nannten sie und Finanzminister Peer Steinbrück dabei nicht, wie der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg erklärte.
Im Einzelnen habe die Kanzlerin sich noch einmal gegen ein undifferenziertes, schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm ausgesprochen. "Über einzelne Instrumente und über die technische und gesetzgeberische Umsetzung der Instrumente" sei nicht gesprochen worden, sagte Steg. Es sei "vorrangig um Vorschläge aus dem Finanz- oder Wirtschaftsministerium gebeten" worden, um sie anschließend im Kabinett zu verdichten. Sie müssten "finanzierbar, überzeugend und schnell wirksam" sein.
Als Anhaltspunkte wurden Investitionshilfen der KfW genannt, Maßnahmen im Handwerksbereich, bei der Gebäudesanierung und eine Umstellung der Kraftfahrzeugsteuer in der Weise, dass sie Elemente wie geringen Verbrauch und Ressourcenschonung fördere. Die Kanzlerin habe anerkannt, dass besonders die deutsche Autoindustrie durch die Subventionen amerikanischer Wettbewerber von der Stagnation betroffen sein könnte.
"Es gibt noch keine Liste", sagte Steg auf Nachfrage, warum das von Wirtschaftsminister Michael Glos befürwortete Vorziehen der Absetzbarkeit der Krankenkassenbeiträge nicht erwähnt worden sei. Er wollte das aber nicht so interpretiert wissen, dass diese Maßnahme damit keine Chance habe. Das Bundesverfassungsgericht habe dem Gesetzgeber bis 2010 Zeit gegeben, diese Möglichkeit zu schaffen.
Ob es technisch machbar sei, es aus konjunkturellen Gründen bereits früher umsetzen, könne er nicht einschätzen. Sollte es dazu kommen, wird das Gesamtentlastungsvolumen auf etwa neun Milliarden Euro geschätzt. In den nächsten Kabinettssitzungen soll das konkretisiert und "Anfang November mit den Koalitionsfraktionen besprochen" werden. Dabei solle auch die Steuerschätzung berücksichtigt werden. Sie ist für den 4. und 5. November angesetzt. Die Kanzlerin habe gebeten, bis zu den darauffolgenden Koalitionsgesprächen von einem Wettlauf um die Frage "Wer prescht am weitesten vor?" Abstand zu nehmen.
Merkel habe vor der Ministerrunde auch mit Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier gesprochen, der neben dem Rettungspaket für die Finanzmärkte auch einen "Schutzschirm für die Arbeitnehmer" gefordert hatte. Die Vorstellungen, die die Kanzlerin vorgetragen habe, entsprächen den Resultaten dieses Gesprächs, sagte Steg.
In der Politik wurde unterdessen über das von Merkel ausdrücklich nicht so genannte "Konjunkturprogramm" gestritten. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles forderte ein Konjunkturpaket. Dagegen regte sich jedoch Widerstand aus CDU-geführten Ländern. Auch aus der Union kommen Forderungen nach steuerlichen Entlastungen.
Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sagte, Steuersenkungen müssten sich mit dem Ziel vertragen, den Haushalt auszugleichen. "Ich meine aber, dass die Spielräume für steuerliche Entlastungen immer noch da sind." Anders sieht das dagegen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Er wandte sich abermals gegen ein traditionelles Konjunkturprogramm. Auch für Steuerentlastungen sehe er keine Spielräume, sagte der SPD-Politiker.
Müntefering will Jobs sichern
SPD-Chef Franz Müntefering sagte, nach der Sicherung der Spareinlagen der Bürger müssten nun bis Ende Oktober Beschlüsse zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen fallen. Es sei davon auszugehen, dass sich der Abbau der Arbeitslosigkeit wohl nicht im bisherigen Tempo fortsetzen werde. Müntefering plädierte für die energetische Sanierung aller öffentlichen Einrichtungen. Dies schaffe Arbeit und komme der Umwelt zugute.
Auch die Bundesbank mahnte zur Zurückhaltung. Die Begrenzung der Steuerbelastung und ein effizientes Abgabensystem seien zwar wichtige Bestandteile wachstumsfreundlicher, wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, hieß es in ihrem Monatsbericht. Sinnvoller erscheine jedoch ein vorsichtiger Ansatz, "der mit dem Ziel strukturell ausgeglichener Haushalte vereinbar ist".
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) warb für Unterstützung aus der Politik und vertrauensstärkende Maßnahmen für die Verbraucher. Der BDI forderte, die Politik müsse Wachstumskräfte durch Investitionen in Bildung, Infrastruktur sowie Forschung und Entwicklung mobilisieren.