Keine Perspektive in Sachsen-Anhalt Hettstedt braucht Flüchtlinge - doch die wollen nicht

In Hettstedt in Sachsen-Anhalt sehen Flüchtlinge keine Zukunft für sich. Verständlich: Einst lebte das Städtchen vom Bergbau. Heute liegt das 15.000-Einwohner-Städtchen in einer der strukturschwächsten Regionen Deutschlands.

Sachsen-Anhalt hat in den vergangenen Monaten nicht gerade um Flüchtlinge gebuhlt. Die dortige Stadt Hettstedt ist jedoch gerne bereit, Flüchtlinge aufzunehmen. Wenn auch nicht  ganz uneigennützig: Denn die Stadt am südlichen Harzrand kämpft wie kaum eine andere mit dem demografischen Wandel. Wer kann, der zieht fort, in die großen Städte. Flüchtlinge wären als Ausgleich also sehr willkommen. Doch die jungen, gut ausgebildeten Menschen, die hierzulande Karriere machen möchten, wollen nicht in der Region bleiben.

Unattraktiv ist Hettstedt für Flüchtlinge nicht bloß wegen der schlechten beruflichen Perspektiven. Die AfD ging hier aus den Landtagswahlen als stärkste Partei hervor. Bürgermeister Danny Kavalier könnte mit seinem Wunsch, mehr Flüchtlinge in der Stadt aufzunehmen, ziemlich alleine dastehen. "Es tut der Region gut, wenn wir bunter werden und in den Köpfen etwas freier und offener!", sagt Kavalier. Doch fast jeder dritte Wähler hat seine Erststimme am 13. März der AfD gegeben.

Flüchtlinge: Zukunft liegt in Großstädten

"Wir leben Kupfer", heißt es auf einem riesigen Werbeschild der Mansfelder Kupfer und Messing GmbH am Straßenrand. Es ist einer der wenigen erhaltenen Hinweise auf die alte Kupferschiefer-Ära in der Region Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt. Die Gegend lebte einst vom Bergbau. Doch nach 800-jähriger Tradition kam mit der Wende das Aus. Heute befindet sich Hettstedt mit seinen rund 15.000 Einwohnern in einer der strukturschwächsten Regionen Deutschlands. Da so viele junge Menschen wegziehen, mussten schon mehrere Schulen und Kindertagesstätten geschlossen werden - viel Platz für Flüchtlinge also. Kavalier wünscht sich zehn bis 15 Familien pro Jahr.

Im vergangenen Jahr haben sich allerdings nur sechs Familien dazu entschieden, in Hettstedt zu bleiben. Die anderen zogen lieber um. "Wenn da Leute aus Millionenstädten kommen, finden sie es hier erst einmal nicht sehr verlockend", sagte Kavalier der "Süddeutschen Zeitung". Flüchtlinge zieht es wie die ehemaligen Hettstedter selbst in die Großstädte; dorthin, wo sie sich berufliche Chancen ausmalen - und wo eventuell bereits Freunde und Verwandte von ihnen leben. Denn entgegen vieler Vorurteile wollen freilich auch Flüchtlinge Arbeitsplätze und vielseitige kulturelle Angebote.

Bewohner sind mürrisch und skeptisch

"Alle, die konnten, haben Hettstedt verlassen. Dorthin, wo es Arbeit gibt", sagt Christoph Altmann. Der 39-Jährige ist Streetworker und koordiniert das Haus der Jugend im Auftrag der Stadt Hettstedt. Er ist für Einheimische wie Flüchtlinge zuständig. Eigentlich sei Hettstedt "ein cooles Eck", sagt der Streetworker. "Man ist schnell in Großstädten wie Halle, Leipzig oder Magdeburg, wir haben einen coolen, jungen Bürgermeister mit vielen Ideen."

Doch die, die nicht gehen, seien ein besonderes Volk, etwas mürrisch und skeptisch, meint er. Da sei ein bisschen Annäherung von beiden Seiten nötig, um Ängsten entgegenzuwirken. Oft fehle das Verständnis für kulturelle Unterschiede, sagt Altmann. Auf Facebook habe er lange genug versucht, gegen Hasstiraden zu argumentieren. "Aber die Leute wollen die Wahrheit nicht hören."

jen mit DPA