FREIFLUG-AFÄRRE Lufthansa lehnt Thierse-Ultimatum ab

Bundespräsident Wolfgang Thierse hat der Lufthansa ein Ultimatum gestellt. Er fordert die Herausgabe einer Liste der Abgeordneten mit Bonusmeilen-Flügen. Ein Lufthansa-Sprecher wirf Thierse indes »eine Aufforderung zum Rechtsbruch« vor.

Die Deutsche Lufthansa hat die Preisgabe der Flugdaten von Bundestagsabgeordneten erneut mit aller Schärfe abgelehnt. Wenige Stunden vor Ablauf der von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse gesetzten Frist sagte Unternehmenssprecher Thomas Ellerbeck am Donnerstag in Frankfurt am Main, die Lufthansa werde der Bundestagsverwaltung auch unter Druck keine Namen von Parlamentariern nennen, die Bonusmeilen in Anspruch genommen haben.

Thierse stellt Ultimatum

Thierse hatte am Mittwoch von der Lufthansa verlangt, der Bundestagsverwaltung bis Donnerstag, 14.00 Uhr, eine Liste der Abgeordneten mit Bonusmeilen-Flügen zu übermitteln. Er begründete dies mit dem Hinweis, nur so könne gewährleistet werden, »dass sich einzelne Abgeordnete gegen öffentliche Vorwürfe wehren können, sie hätten Bonuspunkte aus dienstlich veranlassten Flügen zu privaten Zwecken verwendet«.

Dazu erklärte Ellerbeck mit Hinweis auf die Datenschutzgesetzgebung: »Bei allem Respekt - das ist eine eindeutige Aufforderung zum Rechtsbruch, der wir als weltweit renommiertes Unternehmen nicht nachkommen werden.« Die Aussage Thierses, die bisher über Presseveröffentlichungen bekannt gewordenen Namen und Daten von Abgeordneten könnten nur von der Lufthansa weitergegeben worden sein, nannte der Sprecher eine »nicht hinnehmbare Unterstellung«.

Lufthansa bestreitet »undichte Stelle«

Zwar könne niemand in keinem Unternehmen und in keiner Verwaltung »kriminelle Energie ausschließen«, räumte der Sprecher ein. Sofort eingeleitete unternehmensinterne Untersuchungen hätten jedoch keine Hinweise auf einen illoyalen Informanten ergeben, der die Presse informiert haben könnte. »Der Fingerzeig auf die Deutsche Lufthansa ist für uns nicht hinnehmbar« sagte Ellerbeck.

Das Miles&More-Programm der Lufthansa

Mit Bonusmeilen locken die meisten großen Fluggesellschaften viel fliegende Stammkunden, um sie enger an sich zu binden. Die Lufthansa - Europas zweitgrößte Airline - bietet seit dem 1. Januar 1993 das Vielfliegerprogramm Miles&More an, an dem inzwischen laut Unternehmensangaben mehr als 6,5 Millionen Menschen teilnehmen. Sie haben eine persönliche Ausweis-Karte, gegen deren Vorlage ihnen Meilen auf ein Konto gut geschrieben werden. Ab einer gewissen Anzahl können die Meilen in Freiflüge oder Prämien vom Gourmet-Wochenende bis zum Reisekoffer umgewandelt werden.

Besonders einträglich ist das Meilen-Sammeln auf Langstreckenflügen. Ab einer Entfernung von 1000 Meilen werden die tatsächlich geflogenen Meilen auf das Konto gut geschrieben. Bei einem Flug von Frankfurt nach New York gibt es 3851 Meilen, in der Business Class verdoppelt sich die Zahl, in der First Class gibt es drei Mal so viel Meilen (11 553). Auch für kürzere Flüge gibt es Punkte, ebenso für die Übernachtung in Partner-Hotels, die Buchung eines Mietwagens, bestimmte Bahnfahrten und Einkäufe mit der Miles&More-Karte mit Visa-Card-Funktion. Auch die Werbung eines Zeitungsabonnenten oder eine Probefahrt in einem Cabrio kann das Guthabenkonto füllen.

Das Programm unterscheidet zwischen »normalen« Kunden und »Statuskunden«. Wer besonders viel fliegt, erwirbt den Status als Frequent Traveller oder Senator. Damit sind zahlreiche zusätzliche Vergünstigungen verbunden. Alle Bundestagsabgeordneten bekommen von der Lufthansa zu Beginn einer Legislaturperiode eine Senator Karte angeboten. Damit werden die gesammelten Meilen automatisch 25 Prozent höher bewertet (executive bonus) und verfallen auch nicht. Das Guthabenkonto kann bis 160 000 Meilen überzogen werden. Wer mit den gesammelten Meilen einen Freiflug bucht, muss für ein zweites Ticket nur die Hälfte der Meilen »bezahlen« (companion award). Statuskunden erhalten zudem alle sechs Wochen eine Übersicht über ihren Kontostand - normale Kunden nur einmal im Quartal.

Der Bundestag und das Bonusmeilen-System

Die Verwendung der Bonusmeilen für Vielflieger der Lufthansa ist seit 1997 eindeutig durch den Ältestenrat des Bundestages geregelt. Danach sind Bundestagsabgeordnete verpflichtet, dienstlich veranlasste Bonusmeilen auch nur dienstlich zu nutzen, um die Reisekasse des Bundestages zu entlasten.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Im vergangenen Jahr konnten so nach Angaben einer Sprecherin des Bundestages rund 383 000 Euro bei den Flugkosten eingespart werden. Die Reisekosten einschließlich Hotelkosten beliefen sich 2001 auf rund 9,4 Millionen Euro. Im laufenden Jahr wurde der Etat um 511 000 Euro reduziert.

»Die Lage ist klar: Wir haben einen eindeutigen Beschluss, aber es halten sich nicht alle Abgeordneten daran«, sagte die Sprecherin. Dienstreisen werden seit geraumer Zeit nur unter der Voraussetzung genehmigt, dass die Abgeordneten Bonusmeilen, soweit vorhanden, in Anspruch nehmen. Kein Abgeordneter hat die Verwendung von Bonusmeilen abgelehnt.

Die Verwaltung des Bundestages habe keine Möglichkeit, die Bonusmeilen-Konten der Abgeordneten zu kontrollieren, da diese als individuelle Prämienkonten bei der Lufthansa geführt werden, betonte die Sprecherin. Die Lufthansa ist weiterhin nicht bereit, die Bonusmeilen dem Deutschen Bundestag als Institution zu überlassen, wie sie am Mittwoch bestätigte.

So ist die Verwaltung bei der Verbuchung der Bonusmeilen auf die Angaben der Abgeordneten angewiesen. Wer seine Dienst- und Mandatsreisen über die Reisestelle des Bundestages buche, müsse den Zugriff auf sein Prämienkonto ermöglichen, erläuterte die Sprecherin. Das geschieht entweder elektronisch, indem der Abgeordnete seinen PIN-Code bei der Lufthansa mitteilt, oder auf Papier. Auch bei der Abrechnung der Reisekosten sind die Abgeordneten verpflichtet, den Stand ihrer Bonusmeilen-Konten mitzuteilen.

Dienst- und Privatreisen sind auf diesem Konto nicht getrennt erfasst. Es gebe jedoch die Möglichkeit, diese auf Grund der ebenfalls erfassten Daten und Reiseziele auseinander zu halten, meinte die Sprecherin. Das erfordere jedoch einen höheren Aufwand der einzelnen Abgeordneten, die der Reisekasse die jeweiligen Privatflüge mitteilen müssten.