Im Dioxinskandal wird es immer wahrscheinlicher, dass belastetes Schweinefleisch in den Handel gelangt ist. Bevor die Belastung mit Dioxin entdeckt wurde, wurden den Dezember hindurch insgesamt 180 Schweine geschlachtet, allesamt in Sachsen-Anhalt, sagte ein Sprecher des niedersächsischen Agrarministeriums am Mittwoch. Die im Zentrum des Skandals stehende Futterfett-Firma Harles und Jentzsch beantragte Insolvenz.
Von dem Schweinemastbetrieb im niedersächsischen Landkreis Verden, bei dem überhöhte Dioxin-Werte gefunden worden waren, seien vom 2. bis 30. Dezember insgesamt 180 Schweine zur Schlachtung nach Sachsen-Anhalt gebracht worden, sagte der Sprecher des Ministeriums. Es habe vier bis fünf Lieferungen gegeben. Die Behörden in Sachsen-Anhalt versuchten derzeit herauszufinden, wo sich das Fleisch befinde.
Bislang war nur eine Schlachtung am 29. Dezember bekannt gewesen. Auch diese sei in Sachsen-Anhalt erfolgt, sagte der niedersächsische Ministeriumssprecher nun. Der betroffene Schweinemastbetrieb war erst Anfang des Jahres gesperrt worden. Laut dem Sprecher dürfte der Betrieb den ganzen Dezember über das mit Dioxin belastete Fett des Hersteller Harles und Jentzsch dem Futter beigemischt haben.
Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) forderte Niedersachsen auf, schnell zu klären, ob Fleisch in den Handel gekommen ist. "Ich bestehe darauf, dass belastete Produkte von gesperrten Höfen sofort und unverzüglich vom Markt genommen werden", sagte Aigner zudem. Das Agrarministerium in Hannover hatte zunächst ausgeschlossen, dass belastetes Fleisch in den Handel gelangt sein könnte, widerrief diese Darstellung dann aber.
Die frühere Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) verlangte die Entlassung Aigners. Die CSU-Politikerin sei ein "Totalausfall", sagte die Grünen-Fraktionschefin in Weimar. Aigner wies die Kritik zurück. "Es ist alles wunderbar gelaufen", sagte sie in Berlin. Am Freitag will Aigner einen Aktionsplan präsentieren, der die gesamte Futtermittelkette auf den Prüfstand stellen soll. "Dieser Fall wird Konsequenzen haben", sagte Aigner.
Der Futterfett-Hersteller Harles und Jentzsch stellte am Mittwoch einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sagte eine Sprecherin des Landgerichts Itzehoe. Das Gericht habe einen Hamburger Rechtsanwalt zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
Die Firma hatte im November und Dezember mutmaßlich etwa 3000 Tonnen Industriefett als Futterfett an Futtermittelhersteller verkauft, was zu der Belastung von Hühnereiern und Schweinefleisch mit Dioxin geführt haben dürfte. Gegen Harles und Jentzsch sowie eine zu der Firma gehörende vermeintliche Spedition im niedersächsischen Bösel ermittelt die Staatsanwaltschaft.