Große Koalition Den Reichen nehmen, den Eltern geben

Die Union hätte die "Reichensteuer" am liebsten unter den Tisch fallen lassen, doch die SPD hat sie in den Koalitionsvertrag hereinverhandelt; nun wird sie tatsächlich kommen. Auch das Elterngeld ist beschlossene Sache - und die Regierung verkauft sie stolz als "Systemwechsel" in der Familienpolitik.

Schnell und geräuschlos hat sich die große Koalition auf einen "Systemwechsel" geeinigt, der vor allem den Sozialdemokraten gefallen wird. In der Familienpolitik kommt nun ein großzügig bemessenes Elterngeld und in Sachen Finanzen werden die Reichen zur Kasse gebeten.

Die Einführung des Elterngeldes bezeichnen Vertreter von SPD und Union als Paradigmenwechsel, der Menschen helfe, sich für ein Kind zu entscheiden, wie SPD-Generalsekretär Hubertus Heil am Dienstag sagte. Sein CDU-Kollege Ronald Pofalla sagte, das Elterngeld erleichtere es jungen Familien, Berufs- und Kinderwunsch miteinander zu vereinbaren.

Pofalla erläuterte die Details der Koalitionsvereinbarung: Zum 1. Januar 2007 werde einem Elternteil nach der Geburt eines Kindes zwölf Monate lang 67 Prozent des Gehaltes bis maximal 1800 Euro gezahlt. Zusätzlich gebe es zwei "Vätermonate". Der Sockelbetrag von 300 Euro werde einkommensunabhängig gezahlt. "Wer nicht arbeitet, bekommt den Sockelbetrag auch", so Pofalla.

Keine Anrechnung auf Transferleistungen

Auf staatliche Transferleistungen wie das Arbeitslosengeld II werde das Elterngeld nicht angerechnet. Auch allein erziehende Mütter hätten Anspruch auf die beiden Partnermonate, so Pofalla. Er sagte, der von den Koalitionären vereinbarte Finanzrahmen von 3,8 Milliarden Euro werde nicht überschritten.

Mit den Partnermonaten habe die Koalition eine "Anreizsituation geschaffen, dass auch Väter sich mehr an der Beziehung beteiligen", sagte er. "Wir halten das für einen entscheidenden Systemwechsel." Heil nannte die Partnermonate eine wichtige Komponente. "Es geht um die Gleichstellung von Männern und Frauen." Söder lobte, dass es sich um eine "Bonusregelung" und keine Sanktion handele.

Die CSU hatte sich gegen das ursprüngliche Vorhaben gesträubt, von den zwölf Monaten Elterngeld zwei abzuziehen, falls Väter nicht ebenfalls zwei Monate im Beruf aussetzen. Söder sagte, die Ausgestaltung des Elterngeldes sei "ein guter Schritt, der auch Alleinverdienerfamilien mitnimmt".

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Elterngeld mit "Taschenspielertricks"

Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber hat sich mit den Kompromissen des Koalitionsausschusses "sehr zufrieden" geäußert. Die große Koalition habe die anstehenden Hausaufgaben gelöst und ihren Finanzrahmen eingehalten, sagte der bayerische Ministerpräsident und lobte ausdrücklich auch "ein sehr gutes Zusammenarbeiten" mit dem neuen SPD-Chef Kurt Beck. In der Koalitionsspitze seien "Pragmatiker mit viel praktischer Erfahrung am Werk".

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte über das beschlossene Elterngeld, es enthalte "jede Menge Taschenspielertricks". Die Finanzierung sei schön gerechnet. Künast fürchtet, dass dafür später noch mal in die Taschen der Steuerzahler gelangt werde.

Ebenfalls nun beschlossen, ist die von der SPD geforderte Reichensteuer. Anfang 2007 müssen Topverdiener mit einem Jahreseinkommen über 250.000 Euro und 500.000 Euro für Verheiratete ein Einkommensteuerzuschlag von drei Prozent zahlen. Die Reichensteuer gilt allerdings nicht - wie von der Union gefordert - für gewerbliche Einkünfte, so Hubertus Heil.

Angesichts verfassungsrechtlicher Bedenken wegen der unterschiedlichen Behandlung von privaten und gewerblichen Einkünften sollen die Eckpunkte für die im Jahr 2008 geplante Reform der Unternehmensteuer noch bis zur Sommerpause vorgelegt werden. Damit soll nach den Worten von CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla deutlich gemacht werden, dass es sich nur um einen Übergangszeitraum von zwölf Monaten handele.

Mit der Unternehmenssteuerreform Anfang 2008 würden die verfassungsrechtlichen Probleme definitiv nicht mehr bestehen. "Die gefundene Regelung ist verfassungskonform, weil das Kabinett noch vor der Sommerpause Eckpunkte beschließt", sagte Pofalla. Die Koalition sei sich der rechtlichen Problematik bewusst.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel kritisierte die Reichensteuer dagegen als blanken Populismus. Dadurch werde ein völlig falsches Signal gegeben, dass nämlich den Bürgern noch mehr Steuern auferlegt würden, sagte er dem WDR. "Jede Steuererhöhung ist falsch, egal ob 2007 oder 2008, Bürger und Betriebe sind zu hoch belastet", sagte er.

AP · Reuters
Mit DPA/Reuters/AP