Nach monatelangem Streit hat die Regierung einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung über Steueroasen beschlossen. Bereits am Montag hatten sich Union und SPD auf einen Kompromiss zu dem Entwurf von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) geeinigt, den die Union zuvor über Wochen blockiert hatte. Das Gesetz verlangt Privatpersonen und Unternehmen umfangreiche Auskunftspflichten ab, wenn sie Geschäfte mit Steueroasen wie der Schweiz oder Liechtenstein betreiben.
Bei Zuwiderhandlung drohen steuerliche Nachteile. Dennoch ist die deutsche Gesetzesvorlage nur ein Sturm im Wasserglas. Auf internationaler Ebene fungieren Steuerparadiese weiter in rechtlichen Grauzonen ohne jegliche Sanktionen. stern.de bewantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.
mit Reuters
Was besagt der Gesetzentwurf?
Im Kern geht es darum, dass Privatpersonen und Unternehmen, die mit unkooperativen Staaten oder intransparenten Finanzzentren Geschäfte machen, den Fiskus künftig umfassend informieren müssen. Geschieht das nicht, drohen steuerliche Nachteile. So können beispielsweise bestimmte Kosten dann nicht mehr als Betriebsausgaben abgeschrieben werden. Der Gesetzgebungsprozess sieht außerdem eine Schonfrist für die Steueroase Schweiz vor. Die Berner Regierung sagte jüngst zu, sich an internationale Standards anzupassen.
Was haben Steuersünder zu befürchten?
Der Gesetzentwurf sieht die Möglichkeit von Sanktionen vor, wenn Privatpersonen und Unternehmen nicht belegen können, dass hinter ihren Geschäften keine Steuerhinterziehung steht. Das Problem: Diese Nachteile drohen ihnen nicht unmittelbar mit dem neuen Gesetz, sondern praktisch erst nach einer Schonfrist. Erst über Rechtsverordnungen mit konkret benannten Ländern soll das ermöglicht werden. Dennoch ist der letzte Streitpunkt noch nicht völlig geklärt. Im Entwurf blieb es bei dem Vorschlag Steinbrücks, Beziehern von Einkommen ab einer Höhe von 500.000 Euro im Jahr umfangreiche Aufbewahrungspflichten für ihre Steuerunterlagen aufzubürden und sie ohne Anlass Prüfungen des Fiskus auszusetzen. Allerdings gibt es nach Koalitionskreisen in der Unionsfraktion weiter die Forderung, diese Schwelle auf 750.000 Euro heraufzusetzen.
Wo sind die Lücken im Gesetz?
Die Debatte war nach dem Entscheid des G20-Gipfels, Steueroasen zu bekämpfen, wieder entflammt. Da globale Steuerhinterziehung mitunter auch ein Problem der Weltpolitik ist, hatte die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hierzu eine schwarze Liste veröffentlicht. Auf der fanden sich jedoch nur vier Länder: Costa Rica, Malaysia, die Philippinen und Macau. Die berüchtigen Steuerparadiese fehlten: So die Kanalinsel Jersey, auf die die kollabierte britische Hypothekenbank Northern Rock ihre Spekulationsgeschäfte ausgelagert hatte. Oder die karibischen Kaimaninseln, die weltweiten Hedgefonds Unterschlupf bieten. Die OECD begründete ihre Auswahl damit, dass sich nur diese vier Länder den "international vereinbarten Steuerstandards" verweigert hätten. Nur vier Tage später war die Liste leer. Der OECD-Generalsekretär Angel Gurría verkündete zufrieden, dass alle aufgelisteten Staaten - Costa Rica, Malaysia, die Philippinen und Uruguay - eingelenkt haben und sich künftig an den OECD-Standard über den Informationsaustausch mit den Steuerbehörden anderer Länder halten wollen.
Die deutsche Regierung müsste nun in gesonderten Rechtsverordnungen die Aufklärungspflichten mit diesen Ländern klären. Die Maßnahmen werden nicht unmittelbar wirksam. Zunächst muss die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die Mitwirkungs- und Nachweispflichten erhöhen und die mit deren Nichterfüllung verbundenen Sanktionen im Rahmen der Verordnungsermächtigung konkretisieren. Vor dem Erlass solcher Rechtsverordnungen prüft die Bundesregierung den Fortgang der Umsetzung der OECD-Standards. Wer Beziehungen zu Ländern hat, die weder kooperativ sind noch dieses in naher Zukunft werden wollen, muss besondere Mitwirkungs- und Nachweispflichten in Kauf nehmen. Nur dann kommt es zu den gleichen Steuerregeln wie mit auskunftsfreudigen Staaten.
Damit will sich die Bundesregierung den oft langwierigen gesetzlichen Verlauf ersparen und kann gegensteuern, wenn aus ihrer Sicht unlautere Steuerpraktiken angewandt werden oder eine neue Region ins Visier geraten ist.
Warum ist die internationale Rechtslage entscheidend?
Die Gesetzgebung ist zu zurückhaltend. Die Bankdaten von Privatanlegern sind in den Steueroasen nun zwar nicht mehr so sicher wie früher - sofern die Steuerfahnder genau wissen, in welcher Steueroase sie nachhaken müssen. Doch großangelegte Schleppnetzfahndungen nach Steuerflüchtlingen will die OECD nicht dulden. Und Unternehmen, die Steuern mithilfe von Steueroasen vermeiden, sind ohnehin nicht betroffen.
Eine schwarze Liste hat es 2000 schon gegeben. Die Regierungen der Steueroasen sollten sich verpflichten, auf gezielte und begründete Anfragen hin Informationen über ausländische Steuerpflichtige rauszurücken. Für diese Anfragen brauchen Steuerfahnder jedoch eine konkrete Spur, in welchem der 40 bis 70 Steuerparadiese das Geld sein könnte. Beinahe alle Steueroasen ließen sich auf diese bescheidene Auflage ein. Ein Großteil taucht jetzt nur noch auf der grauen Liste auf, die Staaten führt, bei denen es mit der Umsetzung noch hapert. Mit Sanktionen müssen sie nicht rechnen.
Warum erst jetzt?
Mit dem späten Einlenken der Union reagierte Wirtschaftsminister Guttenberg auf die wachsende Kritik an Kanzlerin Angela Merkel. Die SPD hat sich in ihrem Wahlprogramm die Bekämpfung von Steuersündern auf die Fahnen geschrieben. Die Union stellte sich mit der Begründung quer, dass auf diese Weise alle international tätigen Unternehmen unter den Generalverdacht der Steuerhinterziehung gestellt würden. Mit dem Einlenken soll der leichte Vorteil der Sozialdemokraten beim steuergeplagten Wähler zunichte gemacht werden. Zuvor war der Umgang Merkels mit dem Thema Steuerhinterziehung kritisiert worden. Während sie international für strengere Strafen plädiere, verweigere sie im eigenen Land die Zustimmung.
Obwohl die Union das Vorhaben lange blockierte, schreibt sie sich nun - ebenso wie die SPD - die Einigung auf die Fahnen. Finanzminister Steinbrück (SPD) verweist darauf, dass es generell bei der Beweispflicht von Firmen und Bürgern bleibt. Zudem dürfen die Finanzämter bei Top-Verdienern im Inland mit einem Jahreseinkommen von mehr als 500.000 Euro verdachtsunabhängige Steuerprüfungen vornehmen. Wirtschaftsminister Guttenberg (CSU) brüstet sich damit, dass in dem Gesetz die einzelnen Länder, die der Bund als Steueroasen betrachtet, nicht namentlich genannt werden. Dies soll erst in Rechtsverordnungen nachgeholt werden, die nach Angaben aus Unionskreisen aber wohl nicht mehr vor der Bundestagswahl Ende September diesen Jahres erlassen werden können. Im Falle eines Wahlsiegs könnten CDU und CSU dann völlig auf sie verzichten.