Hessen Hauptsache gewählt

Von Mathias Schlosser
Während in Berlin alle streiten, ob sich Andrea Ypsilanti mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lassen soll, ist die Sache für die hessischen Genossen klar: Sie wollen, dass die 50-Jährige das Amt von Roland Koch übernimmt - ob mit den sechs Stimmen der Linkspartei oder ohne.

"In Hessen gibt es keine Diskussion", sagt Nancy Faeser, die in einer SPD-geführten Regierung wohl das Justizressort übernehmen würde. "Die findet eher in Berlin statt." Die Nachrichten aus der Hamburger Rathauskneipe haben sie und die hessischen Genossen aus dem Tritt gebracht. Eigentlich sollte Andrea Ypsilanti am kommenden Dienstag der Landtagsfraktion und am Donnerstag dem Landesvorstand berichten, was ihre Sondierungsgespräche mit CDU und FDP ergeben haben. Dann wollten die Genossen der FDP ein neues Angebot machen und hoffen, dass die Liberalen endlich dem Werben nachgeben. Denn die Ampelkoalition steht auf der Wunschliste der SPD nach wie vor ganz oben.

Noch größer ist nur der Wunsch, Roland Koch abzuwählen. Dafür würde selbst der bürgerliche Teil der Partei die Hilfe der Linkspartei annehmen. "Sie werden wenig Widerstand in der hessischen SPD dagegen finden, weil es für uns ein Horrorszenario ist, dass Roland Koch weiterregiert", sagt Nancy Faeser, die selbst dem rechten Flügel angehört. "Bauchschmerzen" habe man bei dem Gedanken allerdings schon. Doch wenn es nicht anders geht, dann müsse es wohl sein.

Gefühlte Wahlsiegerin äußert sich nicht

Klar ist für die 37-Jährige jedenfalls, dass die gesamte Fraktion hinter Andrea Ypsilanti stehen würde, falls die sich am 5. April im Wiesbadener Landtag zur Wahl stellt. Ob es dazu kommt, weiß bisher allerdings allein die Kandidatin. Kurt Beck hat zwar am Tresen darüber parliert und die Berliner Genossen reden sich die Köpfe heiß, doch Andrea Ypsilanti ist der Frage, ob sie antritt oder nicht, bisher konsequent aus dem Weg gegangen. Und auch Nancy Faeser weist mit feiner Zunge darauf hin, dass sich die gefühlte Wahlsiegerin noch gar nicht geäußert hat.

Das Zaudern hat auch die CDU bemerkt. Von den hinteren Bänken der Landtagsfraktion aus gehen derbe Pressemitteilungen in die Wahlkreise. Einen "klassischen Fall von Betrug" wittert etwa Hartmut Honka und sein Kollege Roger Lenhart tobt über einen "Affront gegenüber den Wählern". Der Generalsekretär der hessischen CDU, Michael Boddenberg, hat ein "sehr lautes Schweigen" von Andrea Ypsilanti vernommen und fordert die SPD-Landesvorsitzende auf, "endlich mit der Wahrheit herauszurücken".

FDP als fester Partner im rot-grünen Boot

Bleibt die FDP hart, scheint die tatsächlich in einer Wahl Ypsilantis mit den Stimmen der Linkspartei zu liegen, da die hessische SPD eine rot-grüne Minderheitsregierung für das kleinere Übel hält als eine kommissarische Minderheitsregierung unter Roland Koch. Ist Andrea Ypsilanti dann erst einmal Ministerpräsidentin, wird sie zunächst mit wechselnden Mehrheiten regieren und dann einen weiteren Versuch unternehmen, die FDP als festen Partner ins rot-grüne Boot zu holen. Denn eine mit einem schriftlichen Abkommen besiegelte Tolerierung von Rot-grün durch die Linkspartei schließen die Spitzen der hessischen SPD nach wie vor aus, auch wenn es Gerüchte über inoffizielle Annäherungsversuche gibt.

Dass eine mit linker Unterstützung gewählte Ministerpräsidentin Ypsilanti innerhalb weniger Monate Neuwahlen ausruft, ist indes eher unwahrscheinlich. "Das geht nicht", ist Nancy Faeser überzeugt. "Man kann doch nicht so lange wählen lassen, bis es passt."