Innenpolitik Unions-Kritik an Stoibers Reformplänen

Keine gute Zeit für Reformen? Nach dem Paket des Bundeskanzlers stoßen jetzt auch die Reformpläne des CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber in der Union auf Kritik.

Um das «Akutprogramm» von CSU-Chef Edmund Stoiber zur Wirtschafts- und Sozialpolitik gibt es in der Union handfesten Krach. CSU-Vize Horst Seehofer kritisierte, Stoiber habe im Bundestag nicht abgestimmte Vorschläge gemacht. Zu den Plänen von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wurden am Samstag neue Details bekannt: So sollen nach einem «Spiegel»-Bericht die Zuverdienstmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose ausgeweitet werden.

Seehofer lobte Schröder-Ansatz

Seehofer lobte Teile von Schröders Regierungserklärung. «Ich bin sehr zufrieden mit den Aussagen von Schröder zur Sozialpolitik», sagte Seehofer dem Magazin «Focus». «In der Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik vertritt er die Ansichten, die auch ich schon seit Jahren vertrete», sagte Seehofer, der auch stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag ist.

Unmut über Stoiber

Zum Auftritt Stoibers im Bundestag sagte Seehofer: «Bei den Kollegen in der Fraktion herrscht großer Unmut. (...) Vor Wochen haben wir uns in einer Klausurtagung zusammengerauft. Jetzt hat Stoiber in der Rentenpolitik, beim Arbeitslosengeld oder beim Kündigungsschutz Positionen vertreten, die nicht abgestimmt waren.»

Konzept vorher nicht abgestimmt

Der bayerische Ministerpräsident hatte im Bundestag in einem Gegenkonzept unter anderem vorgeschlagen, «die Sozialhilfe für Arbeitsfähige generell um ein Viertel zu senken». Außerdem solle der Kündigungsschutz erst in Betrieben von 20 statt bislang von 6 Beschäftigte an gewährt werden.

Aussagen zum Kündigungsschutz strittig

Der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Hermann Josef Arentz, forderte Stoiber auf, seine Position zum Kündigungsschutz zurückzunehmen. Stoibers Vorschlag «würde schlagartig 80 Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland den Kündigungsschutz nehmen».

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Hessens Koch verteidigte Stoiber

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) verteidigte hingegen Stoibers Programm. «Eine Idee wie die Kürzung der Sozialhilfe auf 75 Prozent kann ich nur begrüßen», sagte Koch der «Bild am Sonntag». Widerspruch hier und da überrasche ihn nicht. «Stoiber hat den Druck auf den Kanzler verstärkt.» Die Zeit des Durchwurstelns sei vorbei. Auf die Frage, ob in der Union die Beschlüsse der Fraktion oder die weiterreichenden Vorschläge Stoibers gelten, sagte Koch: «CDU und CSU sind selbstständige Parteien, die gemeinsame Überzeugungen vertreten. Mal geht der eine ein Stück voran, mal der andere.»

Änderungen bei Zusatzverdienst geplant

Unter Berufung auf interne Papiere des Wirtschaftsministeriums berichtet der «Spiegel», künftig sollten allein stehende Bezieher der geplanten neuen Unterstützungsleistung (Arbeitslosengeld II) bis zu 55 Prozent des Sozialhilfe-Regelsatzes von 292 Euro hinzuverdienen dürfen, ohne dass die Fürsorge gekürzt wird. Bei einem Zwei-Personen-Haushalt steige die maximale Zuverdienstgrenze auf 60 Prozent, bei einer Familie mit zwei Kindern sind es 70 Prozent. Heute dürfen Sozialhilfebezieher in der Regel lediglich einen Lohn von bis zu 50 Prozent des Regelsatzes behalten, wenn sie nebenbei arbeiten.

BA veröffentlicht neue Details

Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Florian Gerster, hat nach einem «Focus»-Bericht für das Wirtschaftsministerium eine Liste erstellt, wonach die BA vier Milliarden Euro für Personen aufwende, die niemals Beiträge eingezahlt hätten. Insgesamt habe Gerster die zusätzlichen Ausgaben durch versicherungsfremde Leistungen für seinen Etat auf 6,3 Milliarden Euro beziffert. Diese Summe entspreche 0,83 Beitragspunkten in der Arbeitslosenversicherung.