"Legen Sie zu Hause einen Vorrat an Wasser und Nahrung an. Besorgen Sie Klebeband und Plastikplanen zum Abdichten von Fenstern und Türen." So schürt die US-Regierung die Terrorängste ihrer Bürger. Das andere Extrem war Otto Schilys Innenministerium: Bis Kriegsbeginn wurden Vermutungen über Alarmpläne als "reine Spekulation" abgetan. Am Donnerstag zog man sie fertig aus der Schublade. Längst hatte man hinter den Kulissen alle möglichen Bedrohungsszenarien durchgespielt.
Im Bundeskriminalamt
(BKA) in Wiesbaden und Meckenheim sind seit anderthalb Jahren quer durch alle Abteilungen rund 500 Experten nur mit dem islamistischen Terror beschäftigt. BND und Verfassungsschutz liefern zu. 24 Kriminale im BKA-Referat ST 42 "Berichtswesen" sind nur dafür abgestellt, geheime "Gefährdungsanalysen" an die Landeskriminalämter zu liefern. Nun wurde - Punkt 1 des Alarmplans - zusätzlich eine "Informationssammelstelle Irak" eingerichtet, die täglich einen "Bundeslagebericht" erstellt.
Als Punkt 2 des Alarmplans wurden die Kontrollen an den Grenzen, auf den Bahnhöfen und Flughäfen verschärft. Auch die An- und Abflugschneisen außerhalb der Flughäfen werden jetzt rund um die Uhr überwacht. Jedes Gepäckstück wird einzeln geröntgt. Nach dem türkischen Einmarsch in den Nordirak gelten kurdische Extremisten als die größte Gefahr. "Wir wissen von Al-Qaeda-Kontakten der Kurden im Nordirak und dass dort an allen möglichen Waffen mit toxischen Stoffen wie Rizin gearbeitet wird", heißt es in BND-Kreisen. Alte Strukturen der verbotenen Kurdenpartei PKK seien in Deutschland jederzeit wieder aktivierbar, so die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes.
Konkrete Hinweise auf Anschläge
gebe es jedoch bislang nicht. Nach außen gilt nach wie vor die Formulierung von der "abstrakt erhöhten zugespitzten Gefährdungslage". Die allerdings scheint bedrohlich genug. "Seit es losging, kann ich nicht mehr ruhig schlafen", bekennt Bayerns Innenminister Günther Beckstein und gruselt sich, es könne einer auf einem belebten Platz "ein Marmeladenglas voll mit Pockenviren" fallen lassen. "Das würde Deutschland auf 30 Jahre verändern."

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Um das zu verhindern, setzen Bayerns Fahnder nun auf unorthodoxe Methoden. Im neu gegründeten Strategischen Innovationszentrum (SIZ) sind Rollenspiele beliebt. Die Bösen müssen sich Anschläge ausdenken, die Guten suchen nach Gegenmitteln. So kam heraus, dass der Sylvensteinspeicher, ein Alpenstausee, besser geschützt werden muss. Sein 44 Meter hoher Damm aus Spannbeton könnte gesprengt und München von 124 Millionen Kubikmetern Wasser überschwemmt werden.
Bizarr klingt, was den Guten gegen Jumbos eingefallen ist, die auf Atomkraftwerke gelenkt werden könnten: Man sollte die AKWs mit 300 Meter hohen Stahlmasten umgeben, die den Maschinen die Flügel stutzen würden. Zurzeit arbeitet das SIZ daran, so Leiter Gerald Busch, "ob man Hersteller von biochemischen Kampfstoffen an einem bestimmten Profil des Wasser-, Strom- oder Abwasserverbrauchs erkennen kann". Demnächst will er zwecks Ideenfindung "mit Science-Fiction-Autoren reden".
Doch mehr als mögliche Anschläge
der flächendeckend telefonüberwachten Extremistengruppen beschäftigt die Angst vor "durchgeknallten Einzeltätern" (Beckstein) die Dienste. Befürchtet werden spontane Hassanschläge auf US-amerikanische, britische und jüdische Einrichtungen in Deutschland. Zwar stehen über 200 von ihnen nun unter verschärftem Objektschutz - Punkt 3 des Alarmplans -, doch das sind bei weitem nicht alle.
Denn längst geht es nicht nur ums Militär: "Namen wie McDonald's, Coca-Cola oder Esso sind große Symbole, die zur Zielscheibe werden könnten", weiß ein hochrangiger Sicherheitsmann. Die Firmen stehen in engem Kontakt mit den Behörden.