"Dann geh doch nach drüben, wenn's dir hier nicht passt" – das war ein Satz, den man in der alten Bundesrepublik häufig hören konnte, wenn man die Verhältnisse kritisierte.
Ich muss gestehen, dass ich ihn sofort wieder im Kopf hatte, als ich die Bilder von der Islamisten-Demonstration in Hamburg sah. Dort waren am Samstag rund 1200 Menschen dem Aufruf einer Gruppierung namens "Muslim Interaktiv" gefolgt, gegen die "islamfeindliche Berichterstattung" in Deutschland zu demonstrieren. Die Videoaufnahmen der Demonstration sind erschütternd. Junge Männer brüllen Hassparolen gegen die "deutsche Diktatur", fordern auf Schildern die Einführung eines Kalifats, also eines islamischen Gottesstaats. Frauen sind keine zu sehen. Medienberichten zufolge haben sie vereinzelt am Rand gestanden, getrennt von den Männern und verhüllt.
Müssen wir so etwas hinnehmen? Ja, sagt die Hamburger Polizei. Demonstrationen können nur dann verboten werden, wenn mit Gewaltausschreitungen zu rechnen ist. Das war hier offenbar nicht der Fall.
Die Meinungsfreiheit ist ein Herzstück unserer Demokratie. Und das heißt, so bitter es manchmal ist, dass man aushalten muss, wenn Islamisten lautstark von einem Kalifat träumen, genauso wie wir das "Deutschland-Diktatur"-Geschwafel von Pegida aushalten mussten. Aber man möchte ihnen allen gern zurufen: Wenn es hier so schlimm ist, hindert euch niemand daran, "nach drüben" zu gehen. In ein Land, in dem ihr eure Staatssehnsüchte eher erfüllt seht. Aber dann dürft ihr euch nicht beschweren, dass ihr vieles, was ihr hier genießt – Sozialstaat, Meinungsfreiheit, Toleranz – dort nicht mehr haben werdet.
Zur Demokratie gehört auch, dass sie sich wehrhaft zeigt. Gegen die, die sie zerstören wollen. Und da ist es völlig egal, ob die Proteste von rechts, links oder aus religiös-fanatischer Ecke kommen.
Was heißt das konkret? Die Polizei sollte jeden Verstoß gegen Regeln und Auflagen bei solchen Demonstrationen konsequent ahnden. Gruppierungen, die derart hetzen, müssen engmaschig beobachtet werden. Wer permanent Hassparolen verbreitet, der verlässt über kurz oder lang den demokratischen Rahmen. Dann muss der Staat hart durchgreifen.
Unser Land, unsere Regeln
Es ist unser Land, es sind unsere Regeln. Wer hier lebt, hat zu akzeptieren, dass das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels zu unserer Staatsräson gehört. Wer sich dazu nicht bekennt, hat im Staatsdienst nichts verloren. Der Kopf von "Muslim Interaktiv" ist ein junger Mann, der Medienberichten zufolge auf Lehramt studiert und zugleich seine Anhänger über die sozialen Netzwerke radikalisiert. Hier muss der Verfassungsschutz genau hinschauen.

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Die Islamisten und Pegidisten sind eine Minderheit
Im Kampf gegen Fanatismus und Extremismus sind wir nicht allein. Die Islamisten in Hamburg sind genauso eine Minderheit in der muslimischen Community, wie es die "Reichsbürger" und Pegida-Anhänger für die anderen Teile der Gesellschaft sind. Auch wenn Bilder von solchen Demonstrationen manchmal einen anderen Eindruck vermitteln.
Die Mehrheit der Menschen hier weiß um das Glück, in einer Demokratie leben zu dürfen. Das gilt auch für die rund 5,5 Millionen Muslime in Deutschland. Lassen wir nicht zu, dass Islamisten ihnen einreden können, von der Mehrheitsgesellschaft nur als "Menschen zweiter Klasse" gesehen zu werden. Zeigen wir im Alltag, dass wir ihre Arbeit schätzen, ihre Kultur respektieren und ihre Kinder die gleichen Bildungschancen haben müssen wie die von "Biodeutschen". Die, die Teil dieser Gesellschaft sein wollen, müssen sich eingeladen und respektiert fühlen. Die, die dies nicht tun, müssen zu spüren bekommen, dass wir das nicht hinnehmen. Weder als Gesellschaft, noch als Rechtsstaat.
Fast niemand ging "nach drüben" – aus gutem Grund
Übrigens ist von denen, die damals alles schlecht in der alten Bundesrepublik fanden, fast niemand "nach drüben" in die DDR gegangen. Ihren Parolen zum Trotz waren den meisten die Privilegien, die sie im Westen genossen, sehr bewusst. Und sie ahnten wohl auch, dass es mit dem bequemen Leben vorbei sein würde, sobald ihre Ideologie einem Realitätscheck ausgesetzt wäre.