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CDU-Nachwuchspolitiker Jesse Jeng tritt von Bundestagskandidatur zurück – um Platz für eine Frau zu machen

Jesse Jeng gilt als politisches Talent – nicht nur in CDU-Kreisen. Der 32-jährige Hannoveraner hat nun auf eine Kandidatur für den Bundestag in seinem Wahlkreis verzichtet. Der Grund: In den hannoveranischen Wahlbezirken treten nur Männer an – das will er mit seinem Rückzug ändern.

Es könnte eine Sternstunde für den Gender Gap in der deutschen Politik werden: Ein junger Politiker der CDU, eigentlich rasant auf der Überholspur in Richtung politisches Berlin, zieht seine Bewerbung für ein Direktmandat im Deutschen Bundestag zurück. Er ist Ratsherr in Hannover und Parteivorsitzender im Stadtteil Südstadt-Bult. Er gilt als "außergewöhnliches politisches Talent", wie die "Welt" ihn bezeichnet. Jesse Jeng wurde in Hannover als Kind eines gambischen Vaters und einer deutschen Mutter geboren und verbrachte die ersten zwei Jahre seiner Kindheit in einem Heim, bevor er von einem deutschen Ehepaar adoptiert wurde. Eigentlich galt es als selbstverständlich, dass Jeng das Direktmandat im Wahlkreis 42 beziehen würde. Aber: Er möchte einer Frau die Chance auf diesen Sitz geben. Seine Entscheidung teilte er auch via Instagram mit.  

Ursula von der Leyen war seine Mentorin

In den übrigen drei Wahlkreisen der niedersächsischen Hauptstadt werden drei CDU-Männer antreten. Jesse wäre der fünfte Mann – keine Frau würde dann eine Chance auf die Stelle haben. Im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" sagt Jeng: "Ich habe mir ganz am Ende die Frage gestellt: Kann ich so viel leisten im Bundestag, dass ich das ausgleiche, dass in der Region Hannover vier Männer für den Bundestag kandidieren und keine Frau? Kann ich das ausgleichen, ohne ein katastrophales Zeichen zu setzen?" Er glaubt: "Am Ende des Tages müssen Frauen Frauen repräsentieren." Vor ihrem Wechsel nach Brüssel war Ursula von der Leyen die Kandidatin für den Wahlkreis, sie zog allerdings stets über die Landesliste in den Bundestag ein. Von der Leyen war über Jahre hinweg Jengs Mentorin in einem Talentförderprogramm der Union. 

Der "SZ" sagte er, von der Leyen hätte seine politische Denkweise stark beeinflusst. "Sie hat auf ihre eigene Erfahrung verwiesen und gesagt, dass es auch sozialwissenschaftlich ein Problem sei, dass Pinguine immer Pinguine einstellen beziehungsweise man sich immer Leute sucht, die so ähnlich ticken und sind wie man selbst, vom gleichen Geschlecht." Einige Männer müssten daher lernen zu verzichten. "Frauenquote hin oder her – es werden Männer ihre Ambitionen zurückstellen müssen, damit mehr Frauen für die CDU in Parlamenten sitzen", schreibt er in einem Instagram-Post.

"Ich werde sicherlich mit ein bisschen Wehmut nach Berlin gucken"

Er selbst sei natürlich auch traurig über die Entscheidung. Er wäre gern nach Berlin gegangen. Hätte gern die Chance ergriffen. Doch er müsse auch an die Zukunft denken – und an seine kleine Tochter. Er wolle nur das Beste für sie, sagte er der "SZ". "Da bin ich zu dem Schluss gekommen: Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, dann können wir überall Quote draufschreiben. Dann können wir überall Sonntagsreden halten. Am Ende des Tages muss jemand verzichten."

Ob er die Chance, in den Bundestag einzuziehen, in Zukunft noch einmal bekommt, weiß er nicht. Derzeit habe er einen "fantastischen Job, bei dem ich die Welt auch besser machen kann", wie er sagt. Er arbeitet als Chief Investment Officer bei einem Start-up für Kinderschutz im Netz. "Und ich werde sicherlich mit ein bisschen Wehmut nach Berlin gucken, wo dann hoffentlich die Nachfolgerin ist, die sich in unserem Wahlkreis durchgesetzt hat."

Quelle: "Süddeutsche Zeitung", "Welt"Instagram

fis

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