Junge Union Respektloser Parteinachwuchs liest Merkel die Leviten

In ungewöhnlich harter Form ist die Junge Union auf ihrem Deutschlandtreffen in Augsburg mit der designierten Bundeskanzlerin Angela Merkel umgegangen.

Ihm gegenüber blieben die Diskussionsteilnehmer bei aller Kritik noch respektvoll, Angela Merkel attackierten manche Redner mit einem fast schon unverschämten Unterton. Dagegen brachen die JU- Delegierten schon bei der Nennung des Namens von Friedrich Merz (CDU) in Jubelstürme aus und feierten ihn wie einen Pop-Star.

In der Höhle des Löwen

Merkel muss sich beim Deutschlandtag der Nachwuchsorganisation der Union wie in der Höhle des Löwen gefühlt haben, weniger unter Parteifreunden. Ein Delegierter gratulierte ihr höhnisch für "ihren fulminanten Wahlsieg", den sie für die Union errungen habe, ein anderer aus Bayern belehrte sie: "Von der CSU lernen, heißt siegen lernen." Ein weiterer Jungpolitiker warnte eindringlich, Merkel solle sich bei den Koalitionsverhandlungen die "hässliche SPD-Braut nicht schön saufen". Merkel dürfe nicht die erste CDU-Kanzlerin einer sozialdemokratischen Regierung werden. Schmallippig wies Merkel diese Formulierung als "männlichen Spruch" zurück.

Die CDU-Vorsitzende hatte einen schwereren Stand als Stoiber, der von den bayerischen Delegierten mit demonstrativem Beifall trotzig unterstützt und mit Edmund-Rufen gefeiert worden war - auch wenn es Buh-Rufe aus anderen Landesverbänden gab. Mit der Strategie, offen Kritik am Wahlkampf der Union zu äußern, ging er in die Offensive und bot den jungen Kritikern die Stirn.

"Alptraum-Koalition"

Angela Merkel hielt dagegen strikt an ihrer Haltung fest, sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit den Ursachen der für die Union enttäuschenden Bundestagswahl zu befassen. Nachdrücklich warnte Merkel vor einem "Schnellschuss". Alle Parteiflügel müssten in die Diskussion eingebunden werden, "alles andere würde unsere Volkspartei zerstören". "Natürlich will ich die Analyse nicht auf den Sankt-Nimmerleinstag verschieben", sagte Merkel vor den Delegierten der Jugendorganisation der Unionsparteien. Die Ursachenforschung sei schon mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen notwendig. In den kommenden drei Wochen müssten aber erst die Koalitionsvereinbarung und die Regierungsbildung abgeschlossen werden. In der "Bild am Sonntag" kündigte sie an, dass die Diskussionen auf einer Bundesvorstandssitzung im Dezember geführt werden sollten.

Damit geriet sie vor dem aufmüpfigen Jungvolk in die Defensive. Verbissen verteidigte Merkel ihr Ja zu einer großen Koalition, auch wenn ein Delegierter von einer "Alptraum-Koalition" sprach. Gefragt, ob ihr rotes Jackett eine programmatische Aussage sei, antwortete Merkel: "Trotz meines roten Blazers will ich bekennen, dass meine Seele schwarz bleibt."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Umjubelter Star des JU-Deutschlandtages war Friedrich Merz. Minutenlang feierte die Junge Union den eloquenten Redner mit Jubelgesängen: "Wir haben nur ein Idol, Friedrich Merz." Seine Kritik am Unionswahlkampf unterbrachen sie nur mit minutenlangem rhythmischem Klatschen und Zugabe-Rufen. Einen Nadelstich für Merkel setzten die Delegierten noch rasch am Sonntagmorgen, kurz bevor die CDU-Vorsitzende nach Augsburg kam: Einstimmig verabschiedeten sie einen Beschluss, nach dem Merz Merkel als Fraktionschef beerben soll.

Nikolaus Dominik/DPA