Koalitionsrunde Schluss mit dem Schmusekurs

  • von Hans Peter Schütz
Über die hochkarätige Koalitionsrunde, die im Kanzleramt zusammen sitzen wird, kann man kräftig lästern. Dabei ist ein 17-Prozent-Verlierer namens Erwin Huber. Dafür fehlt der künftige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering, genau wie der neue CSU-Chef Horst Seehofer. Und Angela Merkel vertritt eine CDU, die derzeit von den Wählern mächtig abgestraft wird.

Über dem Phantom-Treffen wabert zudem schlechte Laune. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach hat nach dem Landtagswahl-Desaster für seine Partei die Linie vorgegeben: "Wir müssen uns gegen die Sozialdemokratisierung der CDU wehren." Und trimmte seine Partei auf Konfliktkurs: "Es ist wichtig, dass wir uns gegen die große Schwester und die Bundeskanzlerin durchsetzen." Das heißt: Schluss mit dem Schmusekurs der Kanzlerin. Zugleich hat CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer markig angekündigt, für seine Partei beginne jetzt der Wahlkampf 2009. Das ist eine eindeutige Ansage: Ab jetzt sind wir auf Krawall gebürstet. Etliche der 46 CSU-Bundestagsabgeordneten fürchten schließlich den Verlust ihres Mandats, wenn der Abwärtstrend nicht gebrochen wird.

Gegen Merkels Kuschelkurs

Also wird ab sofort Rabatz gegen die SPD gemacht, der CDU ihr modischer Merkel-Kurs um die Ohren geschlagen. "Er muss das Profil der CSU schärfen", fordert der einflussreiche CSU-Abgeordnete Karl Theodor Freiherr von Guttenberg vom neuen CSU-Star Seehofer. Dem traut man zu, dass er sich mit Angela Merkel im Interesse Bayerns jederzeit anlegt. Unvergessen, wie er ihr schon einmal Posten und Gunst wegen der Gesundheitsreform vor die Füße geknallt hat. Angedroht hat der schon oft mit Blick auf die CDU, "Mitglied im Nickerverein" Merkels werde er nie wieder sei. Schluss müsse endlich sein mit den "neoliberalen Flausen." Selbst wenn er heute noch nicht am Tisch im Kanzleramt sitzt, wird Huber nur noch sagen dürfen, was Seehofer denkt.

Eigentlich hätte der Koalitionsausschuss vertagt werden müssen bis Müntefering und Seehofer mit dabei im Kanzleramt sind. Denn es drohen Kraftproben. Über die Erbschaftssteuer, bei der die CSU jetzt noch härter Abstriche am Konzept der SPD verlangen wird als vor der Bayernwahl. Unbedingt will sie die so genannte Behaltefrist unter zehn Jahre drücken. Hier steht die Koalition obendrein unter erheblichem Zeitdruck, weil ohne Einigung überhaupt keine Erbschaftssteuer mehr in die Kassen der Länder fließt. Noch sensibler ist das Hauptthema des Treffens: Wie hoch sollen künftig die Lohnnebenkosten sein? Die Krankenkassenbeiträge aller gesetzlich Versicherten steigen Anfang des Jahres vermutlich auf 15,6 Prozent. Die Union will daher Wiedergutmachung bei den Arbeitslosenbeiträgen leisten und sie von 3,3 Prozent auf 2,8 Prozent senken. Das lehnt die SPD bisher strikt ab, da der Bundesanstalt für Arbeit durch die bevorstehende Wirtschaftsflaute mit höheren Arbeitslosenzahlen zusätzliche Kosten drohten. SPD-Finanzminister Peer Steinbrück kann sich bei seinem Widerstand gegen die Senkung auch auf die internationale Finanzkrise mit ihren noch unübersehbaren Risiken für den Bundeshaushalt berufen. Unklar ist, wie es mit der Pendlerpauschale weiter gehen soll, bei der sich die CSU böse vernachlässigt durch die CDU vorkommt. Und schließlich droht auch noch außenpolitischer Krach. Die CSU fordert mit Blick auf die bevorstehende Abstimmung im Bundestag über das Afghanistan-Mandat Klarheit darüber, wie lange die Bundeswehr dort noch bleiben soll.

Niedergang der Volkspartei

Zwar gibt man sich im Kanzleramt beim Blick auf die anstehenden Sachfragen gelassen. Die Regierungschefin habe unverändert den politischen Überblick. Aber unterm Strich der Ereignisse der vergangenen Monate zählt auch Angela Merkel zu den Verlierern. Hält die Krise der CSU an, dürften die erstrebten 40 Prozent für die Gesamtunion bei der Bundestagswahl illusorisch sein. Selbst wenn die CSU 2009 wieder 50 Prozent erreicht, kommt die Gesamtunion vermutlich nur wieder auf 36 Prozent. Nicht nur die Volkspartei SPD befindet sich auf Sinkflug, auch die CDU baut ab. In Hessen hat sie zwölf Prozent verloren, fünf sogar in Niedersachsen, wo sich die CDU-FDP-Koalition behaupten konnte. Wahlschlappen der CDU im Saarland und Thüringen drohen im nächsten Jahr; in keinem der beiden Länder dürfte die Verteidigung der absoluten Mehrheit gelingen.

Profilierung in unterschiedliche Richtungen

Unionsintern drohen erhebliche Kurskonflikte. Seehofer steht für eine nachgiebige Sozialpolitik, wogegen der Wirtschaftsflügel der Unionsparteien massiv Opposition macht. Der neue CSU-Spitzenmann will die "soziale Verantwortung und auch das Potential der Nationalkonservativen" pflegen. Dagegen hat Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff bereits Front gemacht. Der hat wieder einmal ein schärferes wirtschaftspolitisches Profil der CDU gefordert, denn die Bindungskraft der Union sei bereits "massiv geschwächt."

Ein bisher kaum ausreichend analysiertes Problem droht der Großen Koalition zudem noch im Bundesrat. Künftig dürfen in Bayern voraussichtlich die Liberalen mitmischen, wenn es um den Kurs in der Länderkammer geht. "Die CSU muss in einer Koalition mit uns Rücksicht nehmen," sagt der bayerische FDP-Spitzenpolitiker Max Stadler freundlich, aber unmissverständlich. Klar ist, dass Seehofer in diesem Bereich oft lavieren muss, was wiederum den starken Mann erschwert, den er spielen möchte. Vollends unklar ist zur Stunde noch, ob und wie das Kabinett umgebildet werden muss, wenn Seehofer als Ministerpräsident nach Bayern geht. Die CSU denkt einerseits daran, eine winzig kleine Notlösung zu praktizieren, indem sie Seehofers bisherigen Staatssekretär Gerd Müller auf den Ministerstuhl setzt. Inoffiziell hört man jedoch weitaus radikalere personelle Forderungen. Ramsauer müsse ins Kabinett und Wirtschaftsminister Michael Glos endlich raus. Nur so könne die CSU ihre verlorene bundespolitische Stärke wiedergewinnen. Davon wiederum hängt ab, ob Seehofer über die Bundestagswahl 2009 hinaus im Amt bleiben darf.