Sie werde wohl Tacheles reden, hatte dieser Tage eine Schlagzeile mit Blick auf die bevorstehende Pressekonferenz der Bundeskanzlerin vor Beginn der Sommerpause angekündigt. Hoffnungen verbargen sich dahinter, Angela Merkel werde Perspektiven aufs kommende Wahljahr bieten. Werde programmatische Neuansätze skizzieren, mit denen die Unionsparteien der Bundestagswahl 2009 entgegen gehen. 50 Fragen wurden ihr jetzt vom Berliner Pressecorps gestellt, doch nach politischen Inhalten sortiert waren ihre Antworten eine glatte Null-Nummer. Nichts Neues. Nette Plauderei.
So wissen wir jetzt, dass sie im Urlaub mal richtig ausschlafen will. Auf dem Weg dahin wird sie in Bayreuth "Parsival" in neuer Inszenierung mitnehmen. Und die bohrende Frage, ob sie sich vom neuen US-Präsidenten auch einmal die Schultern massieren lassen werde, wie dies Präsident Bush getan hat, beantwortete die Kanzlerin diplomatisch: Es werde mit Sicherheit mit dem neuen Mann im Weißen Haus ein hohes Maß an Kontinuität stattfinden. Da durfte gelacht werden.
Kanzlerin sagt dasselbe wie immer
Gesagt worden ist von der Kanzlerin, was sie schon immer sagt. Dass das Motto der Großen Koalition mit "Investieren, Sanieren, Reformieren" richtig gewesen sei. Das lasse sich durch den Rückgang der Arbeitslosigkeit ebenso belegen wie durch die Chance, 2011 endlich wieder einmal zu einem Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung zu kommen. Die Wachstumsraten der deutschen Wirtschaft seien noch gut, beim Streit um den Mindestlohn befinde man sich auf einem guten Weg. Kurzum, die große Arbeit der Weichenstellungen sei getan.
Ausgeblendet blieben wichtige Antworten, die sich schon heute mit Blick aufs Wahljahr 2009 stellen. Die wirtschaftlichen Perspektiven sind alles andere als rosig. Dass es gelingen könnte, die Zahl der Arbeitslosen weiter zu drücken, ist eher fraglich. Der Aufschwung verliert Fahrt, die Inflation nimmt Tempo auf. Wie die Große Koalition sich auf diese neue Situation einzustellen gedenkt, wurde nicht sichtbar bei der Kanzlerin. Typisch ihre Ausweichmanöver bei der inzwischen für viele Menschen schwer wiegenden Energieproblematik. Natürlich beschreibt auch Merkel den Anstieg der Energiepreise bei Strom, Gas und Benzin als "zentrales Problem." Konkrete Lösungsansätze nannte sie keine, von einem Plädoyer für die längere Laufzeit von Kernkraftwerken einmal abgesehen.
Ein merkwürdiger Widerspruch
Es bleibt ein merkwürdiger Widerspruch bei der Analyse der restlichen Laufzeit dieser Koalition. Einerseits soll die bisherige Arbeit entschlossen und geschlossen fortgesetzt werden. Andererseits wird nicht gesagt, welches denn zusätzliche Ziele sein könnten. Es stimmt ja, dass die Kooperation im Kabinett einigermaßen kooperativ läuft. Sinn macht diese schwarz-rote Kooperation jedoch nicht, wenn in den Bundestagsfraktionen der beiden Regierungsparteien die Händel munter fortgesetzt werden, die man am Regierungstisch einfach ausgeklammert hat.
Typisch ist in diesem Zusammenhang der Kampf um eine Mindestlohn-Regelung. Das Kabinett hat einen Vorschlag gemacht, ab sofort darf der Bundestag daran herumschnipseln, wie es gefällt. Die Kanzlerin selbst sagt aber schon mal klipp und klar, dass die gefundene Lösung in der Zeitarbeitsbranche nicht umgesetzt werden soll. Unterm Strich steht die fatale Gedankenspielerei dieser Regierung, dass die demografische Entwicklung schon dafür sorgen wird, dass die Chancen auf einen Arbeitsplatz automatisch steigen.

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Sie wolle, sagt Angela Merkel, Politik nicht nur auf der Basis von Meinungsumfragen machen. Für ihre Person sind die Sympathiewerte in der Tat glänzend. Man mag sich aber ungern vorstellen, dass in den anderthalb Jahren bis zu Neuwahl nur noch Politik stattfindet, die diese Wertschätzung der Kanzlerin nicht in Gefahr bringt.