Kommentar Scharfrichter Jung

  • von Hans Peter Schütz
Verteidigungsminister Jung outet sich als Verfassungsfeind mit seinem Plan, Terror-Jets einfach abzuschießen. Ein neuer Tiefpunkt in der oft hysterischen Debatte um den Kampf gegen den Terrorismus. Dabei geht es nicht um Sicherheit, sondern um populistische Ziele.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung ist Rechtsanwalt und Notar. Daher muss er sich jetzt auch die Frage gefallen lassen, ob er denn von allen guten juristischen und verfassungsrechtlichen Geistern verlassen ist. Er werde, so unser oberster Verteidiger in ungebremster - besser: unbedachter - Angriffslust, ein mit Passagieren von Terroristen entführtes Verkehrsflugzeug, das sich etwa im Anflug auf ein besetztes Fußballstadion befinde, abschießen lassen. Weil es dafür keine Rechtsgrundlage gebe, so der Minister forsch, werde er sich eben auf das "Recht des übergesetzlichen Notstands" berufen.

Jung outet sich als Verfassungsfeind

Fürwahr, ein halsbrecherischer Vorschlag für einen Bundesminister, der schließlich seinen Amtseid auf unsere Verfassung geleistet hat. Jung outet sich nämlich als Verfassungsfeind. Denn die momentan geltende Rechtslage sieht vor, dass der Jung-Plan verfassungswidrig ist. Auf den übergesetzlichen Notstand hätte sich, was beinahe der Fall war, der frühere Verteidigungsminister Georg Leber noch berufen können, als während der Olympischen Spiele in München ein unbekanntes Flugzeug sich dem Olympia-Stadion näherte. Zum Glück kam es nicht zum äußersten. Jung könnte dies nicht tun. Denn im vergangenen Jahr hat das Verfassungsgericht das vom "roten Sheriff" Otto Schily vorgelegte Luftsicherheitsgesetz der rotgrünen Regierung für verfassungswidrig erklärt.

Ein Flugzeug mit unschuldigen Passagieren, so die Verfassungshüter, dürfe auch dann nicht abgeschossen werden, wenn es als Terrorwaffe eingesetzt werden soll. Die Abwägung "einige Leben gegen viele Leben" sei ein Verstoß gegen das Grundgesetz. Artikel 1 des Grundgesetzes lasse dies nicht zu, die Würde des Menschen sei unantastbar. Das ist, so lange es kein neues Luftsicherheitsgesetz gibt, das Gnade in Karlsruhe findet, geltendes Recht. Wer als Politiker dagegen vorgeht, begeht Verfassungsbruch.

In Wahrheit ist das alles Populismus

Früher hat man Verfassungsfeinde, ob echte oder vermeintliche, nicht mal Lehrer werden lassen, jetzt dürfen sie sogar Ministerämter bekleiden. Und eine Lizens zum Töten beanspruchen. Damit ist ein neuer Tiefpunkt in einer längst geradezu hysterischen Debatte um den Kampf gegen den Terrorismus erreicht. Zum Scharfmacher Wolfgang Schäuble nun noch der Scharfrichter Jung. Längst lässt sich gar nicht mehr verfolgen, was von Vertretern der CDU/CSU gerade mal wieder alles gefordert wird: Trojaner in den Computern, Bestrafung von Besuchen in so genannten Terrorcamps, strafrechtliche Verfolgung von "islamistischen" Vereinigungen, womit dem Gesinnungsstrafrecht wie schon einmal wieder alle Türen geöffnet würden.

Das sind alles Projekte, die den Bürgern mit dem Argument angedient werden, sie dienten ihrer Sicherheit. In Wahrheit werden damit ganz schlicht populistische Ziele verfolgt. Bei Jung lässt der Wahlkampf in Hessen zusätzlich grüßen. Den Nachweis, dass unsere Welt dadurch sicherer wird, können die beteiligten Politiker nicht liefern. Das hindert sie leider nicht, unsere Grundrechte und die Verfassung fortwährend in frage zu stellen. Wie wäre es, wenn dieselben Politiker sich einmal daran machten, über die Frage nachzudenken, ob denn weitere Streichaktionen etwa bei unserer Polizei noch zu verantworten sind?