Lief da noch was Diskretes zwischen Angela Merkel und Erwin Huber? Ein politischer Deal, bei dem die anderen nicht dabei sein sollten? So wurde mal wieder spekuliert, als die Koalitionäre kurz nach Mitternacht am Dienstagmorgen das Kanzleramt verließen. Denn nur SPD-Chef Kurt Beck und der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder traten vor die Kameras und Mikrofone. Also, was lief denn da?
Bei dieser Frage lacht Huber laut heraus am nächsten Morgen in der bayerischen Landesvertretung. Lacht breit über sich selbst. Denn irgendwie haben ihn die anderen reingelegt. Ihm oben im Sitzungssaal beteuert, eigentlich sei ja alles schon gesagt. Wozu also noch einmal vor die Presse gehen? Daraufhin packte der CSU-Vorsitzende seine Unterlagen zusammen und fuhr ins Hotel. Beck und Kauder hatten freie Bahn. Dazugelernt hat Huber dennoch: "Künftig gehe ich an keiner Kamera mehr vorbei."
Von der CSU geprägt
Dafür, dass es bei den Christsozialen derzeit überall politisch arg klemmt, dass sie in Umfragen mit schlappen 44 Prozent gehandelt werden, dafür ist der CSU-Vorsitzende nach dem Koalitionsgipfel in geradezu überschäumender Laune. Einen "anregenden Abend" hat er verbracht. Die Tagesrunde des ersten Spitzengesprächs von CDU, SPD und CSU sei maßgeblich von der CSU geprägt worden. Was für ihn, den Parteivorsitzenden, bedeutet: "Die CSU hat sich als handlungsfähige, aktive und dynamische Koalitionspartei erwiesen."
Auf Nachfrage weicht freilich reichlich Luft aus dem Eigenlob. Huber hat zwar immerhin 52 Millionen Euro an diesem Abend für die bayerische Staatskasse abgezockt. Das war die Entschädigung des Bundes dafür, dass Bayern immerhin schon 70 Millionen in die Planung des gescheiterten Transrapid-Projekts gesteckt hatte. "Das ist 50 plus X" scherzt Huber, der glücklich wäre, könnte er das auch bei der Landtagswahl im Herbst erreichen. Bei der Bahnreform, so ergänzt er seine Erfolgsbilanz, habe man durchgesetzt, dass zwei Drittel der erhofften Milliarden aus der Privatisierung zu Investitionen in der Infrastruktur genutzt werden. Neue Bahnhöfe, strahlt Huber, "da haben die Fahrgäste was davon."
Pleite mit Pendlerpauschale
Danach wird's dünn. Für die Gesundheitsreform verabredeten die Unterhändler nach längerem Palaver, dass "auf Punkt und Komma" erfüllt wird, was verabredet ist. Das nennt Huber "deutlichen Geländegewinn," auch wenn damit der alte Stillstand beschrieben wird, wonach aus Bayern nicht mehr als 100 Millionen Euro an andere Länder abfließen dürfen.
Bei der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer, dem neuen Herzensthema der CSU, sieht er sich "auf gutem Wege." Erreicht haben die CSU-Unterhändler allerdings nichts. Es bleibt für SPD und CDU dabei: Erst wird das Urteil des angerufenen Verfassungsgerichts abgewartet.
Die Chance, Recht zu bekommen ist gut, da ja schon der Bundesfinanzgerichtshof die geltende Regelung (ab 21. Kilometer) für verfassungswidrig erklärt hat. Die CSU-Strategie dabei ist klar. Wenn das Urteil aus Karlsruhe vorliegt, wird die CSU jubeln: "Wir waren die Vorkämpfer." Bei der umstrittenen Erbschaftssteuer gibt es bald ein Gespräch mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Huber ist sich sicher: "Der jetzige Gesetzentwurf wird so nicht Gesetz." Aber auch hier gilt: Nix genaues weiß man nicht.

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Wasser über den Anzugärmel
Was also steht wirklich unterm Strich der Veranstaltung? "Politik ist die Kunst des Möglichen," strahlt da Erwin Huber und macht einen rundum entspannten Eindruck. Es war erkennbar ganz harmonisch. Ärger blieb ausgesperrt.
Man sprach nicht über den Nachfolger von Günther Verheugen bei der EU-Kommission. Weder über den Rentenvorstoß von Jürgen Rüttgers. Noch über den umstrittenen Haushalt 2009 und das Ziel Null-Neuverschuldung spätestens 2011. Den Wahlkampf 2009 will die Große Koalition auf ein Vierteljahr begrenzen. Als Huber diesen Programmpunkt berichtet, schüttet er vor Lachen das halbe Glas Mineralwasser über seinen Anzugärmel.
Wer war Sieger in dieser Nacht? Aus der Sicht von Finanzminister Steinbrück ganz gewiss der Huber nicht. Was der in den letzten Tagen an Forderungen auf den Tisch gelegt habe, koste 30 Milliarden im Jahr. Allein Bayern müsse dafür mit einem Steuerausfall von drei Milliarden bezahlen. Und überhaupt "hat der Huber in dieser Nacht nicht viel zu sagen gehabt." Der gehe nur rum und "streut Sand in die Augen." Bei ihm, Steinbrück, werde das nicht helfen: "Der Steinbrück läuft nicht rum wie die Goldmarie."
Wer ist Sieger?
Wer also war nun Sieger? Klarer Fall: die Kanzlerin. Sie hatte, vermutlich als einzige, die 93 Seiten des Gutachtens der Professoren des Bundesversicherungsamts zu Gesundheitsreform und Gesundheitsfonds in der Nacht zuvor gelesen. Und offenbar auch verstanden. Denn sie erklärte der Runde, wie Logarithmen und Wurzeln funktionieren. Die Herren Unionisten und Genossen waren tief beeindruckt.