Krippenplätze SPD treibt von der Leyen

Alle wollen mehr Krippenplätze, nur wer soll es bezahlen? Familienministerin von der Leyen trifft sich deshalb mit Finanzminister Steinbrück. Die SPD versucht in dem Streit um die Finanzen, mit weit gehenden Vorschlägen aus der Defensive heraus zu kommen.

Olaf Scholz spricht von "echten" Krippenplätzen. Für die, so die Botschaft, sorgt die SPD. Und er spricht von "Luftbuchungen." Für die, so die Botschaft, sorgt Ursula von der Leyen. Und er legt nach: "Man muss die Messlatte, die man sich selbst aufgelegt hat, überspringen", sagt der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin. "Am Ende darf es nicht heißen: Außer Spesen nichts gewesen." Wenn man Eltern schon Krippenplätze verspreche, müsse man die auch schaffen. Sonst löse man eine "Vertrauenskrise" aus.

Von der Leyen trifft Steinbrück

Klare Worte sind das, allesamt mit dem Ziel, Merkels Familienministerin vor sich her zu treiben. Bislang lief es nämlich umgekehrt: Von der Leyen gängelte die SPD. Anfang des Jahres hatte sie die Genossen mit ihrem Vorschlag in die Defensive gebracht, bis 2013 die Marke von insgesamt 750.000 Krippenplätze in Deutschland zu erreichen. Ungelenk hatten die Genossen daraufhin einen Streit über die Finanzierung vom Zaun gebrochen: Die Dame solle doch erst einmal sagen, wie sie das alles bezahlen wolle, hatten sie gewettert.

Nun wird eine neue Runde in dem Streit ums Liebe Geld eingeläutet, von der Leyen trifft sich mit Finanzminister Peer Steinbrück, SPD. Scholz dämpfte die Erwartungen. "Es würde mich sehr wundern, wenn das Gespräch heute schon mit einem Ergebnis enden würde", sagte er. Am kommenden Montag soll das Thema ohnehin auf der Tagesordnung des mächtigen Koalitionsausschusses stehen.

Vier Milliarden Euro vom Bund?

Das mit dem Geld ist ein kniffliges Problem, nicht nur zwischen Union und SPD, sondern auch zwischen Bund, Ländern und Kommunen, weil nicht der Bund, sondern Länder und Gemeinden für die Krippen zuständig sind. Anfang der Woche hat von der Leyen nun erste Vorschläge gemacht, wo das Geld - insgesamt geschätzte zwölf Milliarden Euro - herkommen soll: Ein Drittel soll der Bund zahlen, jeweils ein Drittel Länder und Gemeinden. Drei der vier Milliarden Euro, die demnach der Bund aufbringen müsste, sollen aus Steuermitteln kommen, die wegen des Geburtenrückgangs nicht als Kindergeld abgerufen werden. Eine Milliarde soll durch Einsparungen bei Hartz IV erbracht werden, wenn allein erziehende Mütter dank besserer Betreuungsmöglichkeiten in den Beruf zurückkehren.

Das Geld vom Bund soll dabei nur für die Investitionen - Gebäude, Infrastruktur - genutzt werden, aber nicht für die Betriebskosten. Die SPD macht sich dagegen dafür stark, dass das Geld aus einer Umschichtung innerhalb der Familienförderung stammen soll. Zudem dringen die Genossen darauf, den Bund nach 2013 an dem Betrieb der Krippen zu beteiligen. Kritisiert wird von der Leyen auch aus den eigenen Reihen. Der nordrhein-westfälische Familienminister Armin Laschet forderte, dass der Bund sich auch an den Betriebskosten beteiligen solle.

SPD dringt auf Rechtsanspruch

Die SPD versucht überdies, von der Leyen mit noch einem, weiter gehenden Vorschlag vor sich her zu treiben. Scholz macht sich für einen einklagbaren Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz stark. Nur ein Rechtsanspruch, per Bundesgesetz festgeklopft, könne garantieren, dass das Geld vom Bund auch für Krippenplätze ausgegeben werde, sagte er. "Ich kann mir einen realen Ausbau nicht ohne ein Gesetz vorstellen, auf das sich die Eltern berufen können." Alles andere sei lediglich ein "kleiner Ausbau" der Betreuung. Unter dieser Voraussetzung sei die SPD willens, unter dem Strich sogar mehr Geld von Seiten des Bundes zur Verfügung zu stellen als die Union.

Allerdings ist der Vorschlag politisch kaum durchsetzbar. Weil ein entsprechendes Gesetz Bund und Länder beträfe, müsste es von Bundestag und Bundesrat abgesegnet werden. Weil aber die Länder sich dagegen sträuben, hier ein Mehr an Pflichten erfüllen zu müssen, ist es angesichts der Mehrheit der Union in der Länderkammer kaum vorstellbar, dass der Vorstoß der SPD Erfolg hätte. Falls sich die SPD in den derzeitigen Verhandlungen nicht durchsetzen könnte, hätte sie die Möglichkeit, mit einer entsprechenden Forderung in den Wahlkampf 2009 ziehen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Röttgen: "Alles andere ist Technik"

Einwände aus der Union und der Ministerin von der Leyen, ein Rechtsanspruch sei nicht verfassungsgemäß, wischte Scholz beiseite. "Es gibt in dieser Frage keine wirklichen Hindernisse, die man nicht überwinden könnte", sagte er.

Anders sieht das Scholzens Kollege Norbert Röttgen, der parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag. Der hatte gesagt, dass das Geld vom Bund nur zweckgebunden sein dürfe - und zwar für die Investitionen in Infrastruktur. Die SPD warnte er davor, der Versuchung zu erliegen, sich mit unrealistischen Vorschlägen zu profilieren. "Ich fordere die SPD auf, nicht parteipolitische Interessen zu verfolgen", sagte Röttgen. Dergleichen gelte auch für die Länder, die nicht versuchen sollten, möglichst viel für ihre jeweiligen Haushalte herauszuholen. Es gehe nicht darum, den Ländern einfach mehr Geld zu geben, sagte Röttgen, sondern eine Investitionsbeihilfe zu einem konkreten Zweck zu leisten. Über dieses Ziel sei man sich in der Koalition im Prinzip einig. "Alles andere ist Technik", versicherte Röttgen.