Lafontaine-Interview "Wer Rachegefühle kultiviert, bestraft sich selbst"

Lafontaine erklärt sich zu Treffen mit Schröder bereit. - "Wer Rachegefühle kultiviert, bestraft sich selbst"

Hamburg - Der ehemalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine hat sich zu einer Aussprache mit seinem innerparteilichen Rivalen Bundeskanzler Gerhard Schröder bereit erklärt. In einem Interview mit dem stern sagte Lafontaine, der als Spitzenkandidat der saarländischen SPD bei der Wahl im September 2004 im Gespräch ist: "Wer Rachegefühle kultiviert, bestraft sich selbst." Er fügte hinzu: "Wenn er meint, es gebe etwas zu bereinigen, dann muss er sich dazu durchringen. Auch wenn es große Meinungsverschiedenheiten gibt, verweigere ich kein Gespräch." Schröder müsse dabei aber einräumen, "dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit voraussetzt, dass jeder zu den getroffenen Vereinbarungen steht". Auch die ehemaligen Kanzler Schmidt und Kohl hätten, "der eine bei der Rentenfrage, der andere bei der deutschen Einheit, Fehler eingeräumt und sich entschuldigt". Dass ihn die Parteiführung nicht zur 140-Jahr-Feier der SPD eingeladen habe, finde er "sehr kleinkariert". Lafontaine fügte hinzu: "Die SPD ist meine politische Familie."

In dem stern-Gespräch warf er Schröder zugleich eine völlig verfehlte Wirtschafts- und Sozialpolitik vor. "Man kann doch nicht sagen, wir demolieren den Sozialstaat, weil wir kein wirtschaftliches Wachstum mehr zustande bringen", sagte er. Die SPD sei "kein beliebiger Verein", sondern trete für Frieden und soziale Gerechtigkeit ein. "Damit verträgt es sich nicht, wenn wir bei Rentnern, Kranken und Arbeitslosen kürzen, aber gleichzeitig den Spitzensteuersatz senken." Wer auf Wort- und Vertragsbruch baue, habe keinen Erfolg. "Wir erleben auf Bundesebene einen dramatischen Vertrauensverlust. Die CDU kann einen Besenstiel aufstellen, und der hat große Chancen, gewählt zu werden."

Auf die Frage, wie er als Parteivorsitzender mit Abweichlern in der SPD-Bundestagsfraktion umgehen würde, antwortete Lafontaine: "Sie sprechen von der Mehrheit der Bundestagsfraktion, Das sind ja in Wahrheit die Abweichler von den Parteitagsbeschlüssen und vom Wahlprogramm." Das A und O einer wirklichen Reformpolitik sei eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik. Deutschland brauche ein über Staatsverschuldung finanziertes Investitionsprogramm der Öffentlichen Hand, das sich "in der Größenordnung von mehr als zwei Prozent des Sozialprodukts" bewegen müsse. Das Vorziehen der Steuerreform bringe nicht viel, weil die Besserverdienenden als Hauptprofiteure "ihr Konsumverhalten kaum ändern".