Memoiren Vorhang auf für die Schröder-Show

"Großkotzigkeit", "Abgang nicht verkraftet", "plumpes Nachtreten": Noch bevor die Memoiren des Alt-Bundeskanzlers Gerhard Schröder in den Verkaufsregalen liegen, verteidigen sich Weggefährten und Gegner gegen den Inhalt des Buches. Eine bessere Werbung könnte sich Schröder kaum wünschen.

Seine PR-Strategen konnten sich die Hände reiben. Der erhoffte Aha-Effekt stellte sich prompt ein. Mit Sticheleien gegen seine Nachfolgerin startete Gerhard Schröder am Wochenende die Kampagne für sein Buch über die sieben Regierungsjahre.

Angela Merkel und andere Unionsgrößen fühlten sich gedrängt, sofort in Stellung zu gehen. Schröders Kritik an der Gesundheitsreform ("Kein großer Wurf") widersprach die Kanzlerin vehement vor der Jungen Union in Wiesbaden. Unions-Fraktionschef Volker Kauder konterte Schröders Zweifel an der Führungsfähigkeit Merkels mit der Bemerkung, der Ex-Kanzler habe seinen Abgang wohl noch nicht verkraftet. Von "Großkotzigkeit" sprach CSU- Wirtschaftsminister Michael Glos. Die CSU wies die als "plumpes Nachtreten" zurück.

Mit solchen Reaktionen rührte auch die Unionsspitze eher ungewollt die Werbetrommel für die Schröder-Memoiren. Bevor Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker das 544 Seiten lange Werk am Donnerstag in Berlin offiziell vorstellt, wird der Inhalt in Häppchen vorab unter die Leute gebracht. Eine bislang bei einem Politiker-Buch einmalige PR- Kampagne im Stil eines flächendeckenden Wahlkampfs auf diversen Kanälen ist vorbereitet. Sie soll dafür sorgen, dass die Erstauflage von 120.000 Stück möglichst schnell und lange die Bestseller-Listen anführt und damit auch das Honorar - laut Branchenangaben "im oberen sechsstelligen Bereich" - rechtfertigt.

Memoiren im Rekordtempo

Noch kein Ex-Kanzler vor ihm hat so schnell seine Memoiren auf den Markt gebracht. Willy Brandt nahm sich 15, Helmut Kohl immerhin sechs Jahre Zeit. Seine in Rekordzeit entstandenen Erinnerungen mit dem Titel "Entscheidungen" hat Schröder handschriftlich zu Hause in Hannover und in der Ferienwohnung auf Borkum zu Papier gebracht. Diese Arbeit fiel ihm nicht leicht. Später als eigentlich geplant wurde das Manuskript mit Hilfe seines früheren Regierungssprechers Uwe-Karsten Heye fertig. Eine richtige Last sei nach der letzten Seite von ihm abgefallen, erzählte er SPD-Vertrauten in Berlin. "Eine solche systematische Arbeit läuft seinem Charakter entgegen. Er ist kein Mensch, der konzeptionell und langfristig denkt", sagt sein langjähriger Kenner, der Journalist Jürgen Leinemann.

Der Zeitpunkt für das Buch könnte kaum besser sein. Von früheren Spitzenwerten in Umfragen ist seine Nachfolgerin derzeit weit entfernt. Hier und da ist schon wieder von "Schröder-Nostalgie" die Rede. Für den Ex-Kanzler dürfte der Rummel um sein Buch willkommener Anlass sein, seinen vorübergehend ramponierten Ruf wegen lukrativer Aktivitäten für Gasprom und andere Unternehmen wieder aufzupolieren.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Treue zu Müntefering

Auch wenn der Inhalt noch nicht ganz bekannt ist: Handfeste Sensationen sind in dem Buch nicht enthalten. "Soldarisch, aber frei" werde er künftig agieren, so hatte sich Schröder von der SPD als aktiver Politiker verabschiedet. An diesen Vorsatz hat er sich gehalten. Es werden keine Staatsgeheimnisse verraten. Auch "schmutzige Wäsche" aus den turbulenten Regierungs- und SPD-Jahren fehlt. Ihr seiner Ansicht nach verdientes Fett bekommen nur die SPD-Linken und Gewerkschaftsbosse ab, die ihm die Kanzlerjahre wegen der Reform-"Agenda 2010" besonders schwer gemacht haben. Dieser Begriff sei eine Idee seiner Frau Doris gewesen, verrät Schröder im Text.

Die Treue von Franz Müntefering auch in heiklen Situationen zieht sich als roter Faden durch das Text. Eine gewisse Distanz zu seinem Kanzleramtschef, dem jetzigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier, wollen manche herausgelesen haben. Mit Oskar Lafontaine geht er überraschend milde um. Mit Merkel beschäftigt sich Schröder kaum. Länger dagegen mit dem "ewigen Zauderer" Edmund Stoiber.

Für ihn ist sein Buch aber keine Selbstbeweihräucherung. "So viel Selbstkritik in einer Biografie gibt es selten", sagte er der "Bild"- Zeitung, die wie der "Spiegel" den Zuschlag für Vorabdrucke bekam.

Die vom Verlag geplante Kampagne für die Memoiren wurde von einer PR-Agentur in 23 Städten aufwendig in Szene gesetzt. Dazu gehören neben zwölf Signierstunden auch 15 Lesungen gegen Eintritt, bei denen enge Schröder-Freunde wie Manfred Bissinger oder Oskar Negt, aber auch Kurt Biedenkopf von der CDU moderieren. Der Autor kann aber auch bequem vom Sofa aus verfolgt werden: Es sind etliche TV-Interviews geplant. Und Lesefaule müssen auf Schröder ebenfalls nicht verzichten. Für das geplante Hörbuch hat er zweieinhalb Stunden Text aufgenommen. Sogar für eine eventuelle Verfilmung hat Schröder für die Hauptrolle schon einen Vorschlag parat: Götz George wäre für ihn der ideale Kanzler-Darsteller.

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Joachim Schucht/DPA