Merkel geht in die Sommerpause Nicht amtsmüde, sondern viel Zukunft vor sich

Es ist derzeit ein Trend unter deutschen Würdenträgern, amtsmüde zu sein. Bundeskanzlerin Angela Merkel will da aber nicht mitmachen. Während des traditionellen Pressetermins zum Start in die Sommerpause kündigte sie an, "dass Sie mich nach den Ferien wiedersehen".

Wenn dieser Tage ein Amtsinhaber aus der Politik vor die Presse tritt, könnte es ohne weiteres das vorerst letzte Mal sein: bekanntlich geht die Amtsmüdigkeit um. Nicht so bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die sich am Mittwoch vor dem Start in die Sommerpause - wie üblich - noch einmal der Presse stellte. Sie denke nicht über einen baldigen Abgang aus der Politik nach, betonte Merkel. Auf die Frage, ob sie über den Ratschlag ihres Parteifreundes, des Ersten Bürgermeisters von Hamburg, Ole von Beust, nachdenke, dass man im Leben mal etwas anderes als Politik machen solle, erklärte die Kanzlerin, sie habe schon vor ihrer politischen Laufbahn etliche Jahre etwas anderes gemacht.

Die Arbeit in der Politik mache ihr Spaß. "Und dabei belassen wir es mal", sagte Merkel. Auf die Frage, ob sie sich ein zeitliches Limit für ihre Tätigkeit gesetzt habe, sagte die Kanzlerin: "Ich entscheide Schritt für Schritt. Und im Augenblick können Sie ganz fest davon ausgehen, dass Sie mich nach den Ferien wiedersehen."

Gute Arbeit - trotz des Koalitionsknatsches

Auch ihre schwarz-gelbe Regierung sieht die Kanzlerin noch lange nicht am Ende. Die Koalition habe nämlich - so die Lesart der Regierungschefin - trotz der Streits der vergangenen Monate gute Arbeit geleistet. Die Bundesregierung habe sich für ihr Herangehen an die Probleme durch die weltweite Finanzkrise, die Schuldenkrise der EU und den Konjunktureinbruch im vergangenen Jahr international Anerkennung erworben, sagte Merkel. Zum Teil werde es "als ein kleines Wunder" angesehen, dass die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt besser sei, als sie vor der Krise war.

Merkel verteidigte auch die teils heftig geführten Debatten von CDU, CSU und FDP in Fragen der Gesundheits-, Steuer- und Energiepolitik. Zwar sei auch sie der Ansicht, dass der Ton ("Wildsau", "Gurkentruppe") teilweise nicht akzeptabel gewesen sei, sagte die Kanzlerin. Kein Industrieland der Welt könne aber seine Probleme lösen, ohne dass es darüber auch gesellschaftliche Debatten gebe. "Und die sollte man dann auch akzeptieren." Die Koalitionäre hätten sich letztlich zusammengerauft. "Wie's manchmal im Leben ist", bewertete die Kanzlerin ihre Wunschkoalition, "wenn man's dann mal hat, stellt es sich als etwas rumpeliger heraus, als man dachte".

Steuervereinfachung statt Steuersenkung

Deutschland befinde sich angesichts der Folgen der Finanz- und Schuldenkrise, des demografischen Wandels und des internationalen Wettbewerbs "in einer schwierigen Zeit", sagte Merkel. Die Regierung müsse deshalb das soziale Sicherungssystem krisenfest machen und auch die Haushalte weiter konsolidieren, was "sicher auch ein schmerzhafter Prozess" sein werde. Die nächsten Monate würden noch einmal "sehr arbeitsreich". In der Krise würden "die Karten international neu gemischt", sagte Merkel. Schwächen könnten stärker hervortreten, gleichzeitig gebe es Möglichkeiten, Stärken auch besser zu entwickeln. "Insofern liegt viel Zukunft vor uns."

Zu dieser Zukunft gehört die Konsolidierung des Haushaltes. Die aktuelle Debatte über das Sparpaket sei eine Debatte über Details. Ohne Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), dessen Haus Teile der Pläne kritisiert hatte, direkt zu nennen, sagte die Kanzlerin: "Es ist immer richtig, man spricht erst einmal miteinander als übereinander." Ob es die ebenfalls vor allem von der FDP geforderte Steuersenkung in der laufenden Legislaturperiode noch geben werde, ließ die Kanzlerin offen. Ihr Schwerpunkt liege aber auf Steuervereinfachungen.

In der Bildung liegt der Schwerpunkt eher nicht auf der Idee eines längeren gemeinsamen Lernens, wie es jetzt durch einen Volksentscheid in Hamburg gescheitert ist. Sie glaube nicht, dass dies die Probleme des deutschen Bildungssystems löse, sagte Merkel. Zudem gebe es in der Wählerschaft der Union "extreme Vorbehalte gegen alles, was nach Einheitsschule aussieht".

Ein schwarz-grünes Bündnis hatte in der Hansestadt diese Schulreform erarbeitet. Eine Koalition, die sich Merkel auf Bundesebene derzeit nicht vorstellen kann. "Dass das jetzt ein Modell ist, mit dem man einfach mal auf der Bundesebene regieren könnte, das sehe ich nicht", sagte die CDU-Chefin. "Da sind doch viele, viele Dinge zu überbrücken." Die Koalition aus CDU und Grünen in Hamburg habe eine pragmatische Politik gemacht. Sie warnte aber davor, bei negativ ausgegangenen Volksentscheiden für eine Regierung wie dem zur Schulreform in Hamburg, das Bündnis infrage zu stellen. "Dann wären wir ja völlig unregierbar."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Viele unvergessliche Momente mit Wilhelm

Die allgemeine Amtsmüdigkeit war dann doch noch einmal Thema des Pressetermins. Die CDU-Chefin bedauerte den Rückzug mehrerer erfahrener CDU-Ministerpräsidenten in den vergangenen Monaten. Sie sehe das aber als Chance der Erneuerung für die Partei, sagte Merkel. Die CDU habe "gute Persönlichkeiten, die die Union verkörpern" und die verschiedenen Flügel besetzen könnten. Merkel nannte Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Stefan Mappus und verwies auf dessen Wirtschaftskompetenz. Niedersachsens Regierungschef David McAllister sei ein großes Talent.

Dennoch musste sie einen weiteren langjährigen Mitstreiter verabschieden: Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. "Es war eine wunderbare Zusammenarbeit, wir haben viele Momente miteinander erlebt, wovon wir beide sagen, dass wir sie nicht vergessen werden." Merkel erklärte, sie habe Wilhelms "Präzision und Geduld" mit der Presse immer bewundert. Das Amt gehöre nicht zu den "arbeitsunintensivsten in der Bundesregierung". Nachfolger Wilhelms wird der bisherige Anchorman der "heute"-Sendung im ZDF, Steffen Seibert.

DPA
dho/DPA/APN/AFP