Jetzt also hat auch Angela Merkel schon mal "face to face" erlebt, was "America first" auf internationalem Parkett bedeutet. Live und in Farbe, wenn man so will. Gerafft in einer straffen halben Stunde hat die Kanzlerin an diesem Samstagmorgen im Bayerischen Hof, dort, wo alljährlich die illustre Gemeinde zur Münchner Sicherheitskonferenz absteigt, einen Impulsvortrag von US-Vizepräsident Mike Pence bekommen – eine Art Druckbetankung, wie sich die USA des Donald Trump die Weltläufe in den kommenden Jahren vorstellen.
Ob das angenehm war? Eher nicht.
Immerhin: Schwer zu verstehen war der Vortrag nicht. Im Gegenteil. Im Prinzip muss sich das zur Zusammenarbeit geneigte Europa (Angela Merkel inklusive) nur drei Dinge merken, auf die es in Zukunft ankommen wird. Erstens auf Stärke. Zweitens auf Stärke. Und drittens auf Stärke. Pence machte deutlich, wie er die USA und Europa in diesem Zusammenhang derzeit und wie er sie in der Zukunft sieht. Die USA stark, aber längst nicht stark genug. Und Europa? Ziemlich schwachbrüstig. Höchste Eisenbahn für den alten Kontinent sicherheitspolitisch kräftig zuzulegen. Pence ist an dieser Stelle richtig pathetisch geworden: "The time has come to do more! - Das Versprechen, die Lasten zu teilen, ist zu lange nicht erfüllt worden."
Pence hat dem übrigens die klare Botschaft vorangestellt, dass sich die USA unmissverständlich zur Nato bekennen würden. Motto: Ihr müsst nicht an unserem Willen zweifeln, wäre nur schön, ihr würdet euer Bekenntnis endlich mal mit Zahlen unterfüttern.

Mike Pence kam als Trumps Mann
Es braucht schon ein paar kräftige Gin-Tonic, um sich vorzustellen, wie die Kanzlerin mit all ihren gut gemeinten Dauerverweisen auf die Bedeutung der multilateralen Zusammenarbeit auch nur ansatzweise jemals in die Wertewelt der US-Administration vordringen will. Man braucht da gar nicht die irrlichternde Figur eines Donald Trump vor Augen zu haben. Es langt dazu der analytisch weit besser sortierte Pence vollkommen aus. Der machte mit seinem Auftritt vor der Münchner Sicherheitskonferenz deutlich, dass alle Versuche Europas, mit Verweis auf Trumps unklare Haltung Zeit zu gewinnen, zum Scheitern verurteilt sind. Pence kam nicht als Nebenaußenpolitiker. Er kam als Trumps Mann.
Die Prognose sei gewagt: Wer mit dieser US-Regierung auf Dauer auskommen will, der wird mehr tun müssen, als darauf zu verweisen, dass die Bundeswehr auch schon in den vergangenen Jahren zunehmend an internationalen Militäreinsätzen beteiligt hat. Die Auftritte von Merkel und Pence wirkten an diesem Samstagvormittag wie das Aufeinanderprallen zweier Welten. Kaum zu erwarten, dass all die ambitionierten Ziele, die sich Merkel für ihre G-20-Präsidentschaft gesetzt hat, von den USA auch nur einigermaßen wohlwollend begleitet werden, sollte in Washington der Eindruck entstehen, Europa spiele auf Zeit.
Seit diesem Wochenende weiß man aus dem Munde von Mike Pence: Der Zahltag rückt näher. Die Zeiten werden ungemütlicher.