Nach der Abschaffung der Wehrpflicht Die Avantgarde der Freiwilligenarmee tritt an

Die Ära der Freiwilligkeit bei der Bundeswehr hat begonnen. 3400 Männer und Frauen bilden die Avantgarde. Sie kommen aus ganz unterschiedlichen Gründen zum Bund: Neugier, Lebenskrise oder auch gezielte Jobsuche.

Jan-Piet Jaschinski musste nicht lange überlegen. Sein Vater war Soldat, sein Opa auch und sogar sein Urgroßvater war Soldat. Die Traditionslinie wollte der 19-Jährige nicht durchbrechen. Am Montag zählt er zu den ersten 3400 jungen Männern und Frauen, die zum freiwilligen Wehrdienst antreten. Und er ist einer von rund 150, die in der Berliner Julius-Leber-Kaserne von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) persönlich bei der Truppe begrüßt werden.

Das Schreiben, mit dem sich Jaschinski beim Wachbataillon des Verteidigungsministeriums meldet, erinnerte noch an eine Ära, die seit Freitag Geschichte ist. "Kreiswehrersatzamt" steht darauf. Demnächst wird die Behörde, die bisher für die Musterung und Einberufung von Millionen Wehrpflichtigen zuständig war, umbenannt. Ein Name ist noch nicht gefunden, lediglich der Arbeitstitel "Berufsberatungszentrum der Bundeswehr".

Ein Motto für die neue Ära der Freiwilligkeit hat die Bundeswehr dagegen schon. Auf dem Schild, vor dem de Maizière die Rekruten mit Handschlag begrüßt, steht es ganz groß: "Wir. Dienen. Deutschland". "Wir haben uns das ohne Werbeagentur selbst ausgedacht", sagt de Maizière. "Wir" steht für die Verankerung der Truppe in der Gesellschaft und für Kameradschaft, "Dienen" soll das Einstehen für eine gute Sache bedeuten, und "Deutschland" steht unter anderem für Heimatverbundenheit.

Die meisten, die in der Julius-Leber-Kaserne ihren Dienst antreten, nennen viel banaler Argumente für die Bundeswehr. Begriffe wie "Disziplin", "Ehrgeiz" und "körperliche Herausforderung" fallen. Der eine kommt aus Neugier, der andere sucht einen Job fürs Leben und ein dritter einen Weg aus einer Lebenskrise. Der 19-jährige Kilian Pohl hat seine Ausbildung abgebrochen und will jetzt "ein bisschen Ordnung" in sein Leben bringen. Er hat sich erst einmal vorsichtig für elf Monate verpflichtet, sozusagen als "Schnupperwehrdienst".

Der 18-jährige Max Kubelke geht dagegen gleich aufs ganz Ganze: 23 Monate beim Bund, und dann mal weiter sehen. "Ich wollte eigentlich schon mit 15 zur Bundeswehr", sagt er. Mit den Gefahren, die in ihrem neuen Job lauern, haben die meisten zunächst einmal kein Problem. Die freiwillig Wehrdienstleistende können auch in die Einsätze geschickt werden. "Wenn dort meine Hilfe gebraucht wird, muss ich da natürlich hin", sagt Kubelke und ist sich durchaus bewusst, was das bedeuten kann. "Selbst wenn ich ein Bein verliere, haben mich meine Eltern lieb."

Unter den 150 Freiwilligen in Berlin ist keine einzige Frau - eine Enttäuschung. Bundesweit haben sich nur 44 Frauen für den neuen Wehrdienst gemeldet, das entspricht etwas mehr als einem Prozent. Bei der gesamten Truppe liegt der Frauenanteil bei neun Prozent.

Eine von den 44 weiblichen Freiwilligen ist Yvonne Tim, die in der Westfalenkaserne in Ahlen ihren Dienst antritt. Die 22-Jährige hat jahrelang als Altenpflegerin gearbeitet: "Das war mir zu langweilig." Sie glaubt, dass ihr medizinisches Wissen ihr im Sanitätsdienst helfen wird und hat sich für 23 Monate verpflichtet. Warum sie zur Bundeswehr will? "Laufen, durch den Matsch springen, das finde ich toll." Und die Auslandseinsätze? "Das kann ich mir vorstellen."

Die Freiwilligen des Berliner Wachbataillons erledigen zum Beginn ihrer Dienstzeit zunächst einmal den Papierkram und beziehen ihre Stuben. Am 20. Juli folgt noch einmal ein großer Auftritt für die Rekruten. Dann legen sie vor dem Berliner Reichstagsgebäude in Anwesenheit von Bundespräsident Christian Wulff ihr Gelöbnis ab.

Michael Fischer und Maximilian Haupt, DPA (mit AFP)