Anzeige
Anzeige

Ampel-Kompromiss Nach Koalitionsausschuss: Sind Habecks Heizungspläne wirklich vom Tisch? Und waren es überhaupt "seine Pläne"?

Robert Habeck in Kopenhagen
Der angebliche große Verlierer des Ampel-Marathons: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck
© Bernd von Jutrczenka / DPA
Wenn eine Diskussion 30 Stunden dauert, können nicht alle Streithähne gewinnen. Einer der – vermeintlich – größten Verlierer des Koalitionsausschusses ist Berichten zufolge Robert Habeck und "seine" Heizungspläne. Was ist dran an der Behauptung?

Inhaltsverzeichnis

Da ist das Ding. Also, der Kompromiss, für den die Koalitionäre aus SPD, Grünen und FDP mit Unterbrechung 30 Stunden lang diskutiert, debattiert und sicherlich auch gefeilscht haben. Ein 16 Seiten langes Papier, das den etwas umständlichen Titel "Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung" trägt. Dass es nach einem derartigen Verhandlungsmarathon nicht nur Gewinner geben kann, liegt auf der Hand. Wie sehr sich die Öffentlichkeit jedoch auf den einen großen Verlierer geeinigt hat, überrascht trotzdem: Das sind die Grünen, im Speziellen Wirtschaftsminister Robert Habeck. Im Ringen um den Fortschritt soll "dessen" geplantes Verbot für Gasheizungen nun gekippt worden sein. Nur: Stimmt das überhaupt?

Wie lauteten die ursprünglichen Heizungspläne im Koalitionsvertrag?

So ruppig es in der Ampel heute zugeht, so holprig war auch der Beginn des Regierungsbündnisses. Man versetze sich dazu zurück zum 7. Dezember 2021, als die Wahlsieger aus SPD, Grünen und FDP nach reichlich Hin und Her ihren 177-seitigen Plan für eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft unterschrieben. Weil man titelgebend "mehr Fortschritt wagen" will, geht es in dem Vertrag auch um das Thema Heizung – oder "Klimaschutz im Gebäudebereich", wie es ab Seite 90 heißt. Ab dem 1. Januar 2025 sollen demnach alle neu eingebaute Heizungen "auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien" betrieben werden. Das bedeutet mittelfristig ein Verbot für reine Öl- oder Gasheizungen. Mittelfristig deshalb, weil funktionierende Anlagen, die nicht älter als 30 Jahre sind, weiterhin benutzt und repariert werden dürfen. 

Die Ampel hatte die Pläne später angepasst. Rund einen Monat nach Beginn des russischen Angriffskrieges, in dessen Folge auch die deutsche Energieversorgung vor einer "Zeitenwende" stand, verständigten sich die Partner darauf, die Heizungspläne zu beschleunigen und "möglichst bereits ab dem 1. Januar 2024 für jeden Heizungsaustausch in neuen oder bestehenden Gebäuden" gelten zu lassen.

Waren es "Habecks Heizungspläne?

Wie man's nimmt. Die Pläne sind Teil des Koalitionsvertrags, mit dessen Unterzeichnung sich alle Ampelpartner dazu verpflichtet haben, die festgehaltenen Ziele zu erreichen. Sie wurden vor genau einem Jahr im Koalitionsausschuss noch einmal nachgeschärft. Auf dieser Basis wurde danach ein Gesetzentwurf erarbeitet. Im Wirtschaftsministerium. Und im Bauministerium von Klara Geywitz, SPD. Als es im März im halbfertigen Zustand aus der sogenannten Frühkoordinierungsrunde an die Presse durchgestochen wurde - da war es plötzlich nur noch "Habecks Heizungshammer", wie die Bildzeitung schrieb. Habecks Leute musste danach die Menschen beruhigen, das niemand die Absicht habe, ihnen funktionierende Gasheizung wegzunehmen. Finanzminister Christian Lindner hatte da längst angekündigt, Habecks Verbotspläne zu stoppen. so landete das Vorhaben zur Schlichtung im Koalitionsauschuss.

Sind die ursprünglichen Pläne zum Heizungsumbau damit gekippt?

Nein. Das Gebäudeenergiegesetz soll lediglich angepasst werden. Grundsätzlich bleibt die Koalition dabei, den Einbau klimafreundlicherer Heizungen angehen zu wollen.

In der überarbeiteten Fassung soll aber stärker darauf geachtet werden, "dass ein technologieoffener Ansatz verfolgt wird, und dass ausreichende Übergangszeiträume zur Verfügung stehen". Ein Sieg nach Punkten für die FDP, könnte man meinen. Heizungen sollen demnach auch mit grünem und blauem Wasserstoff oder Biomasse genutzt werden können, erklärte FDP-Chef Linder. Das hatte der ursprüngliche Gesetzentwurf freilich nie ausgeschlossen. Allerdings wiesen die beiden zuständige Ministerien bereits im vergangenen Sommer darauf hin, dass diese Energieträger knapp und dadurch teuer sind und deshalb wahrscheinlich vorerst ungeeignet seien. Bei dieser Darstellung bleiben sie bis heute. Wasserstoff etwa dürfte für das Heizen in den kommenden zehn bis 20 Jahren eine ähnlich große Rolle spielen wie E-Fuels beim Tanken – also eher in homöopathischen Dosen auftreten.

Eine wichtige Neuerung: Bei der "Wärmewende" soll es nun sozial gerecht zugehen, wie SPD-Chef Lars Klingbeil erklärte. "Man kann sagen: Niemand wird im Stich gelassen", betonte Grünen-Pendant Ricarda Lang. Man werde bei "bestimmten Alters- und Einkommensgruppen automatisch auch darauf achten, dass die Vorgaben nicht belastend oder bindend sind", versprach Christian Lindner. 

Nicht bindend? Da sind sowohl Grüne als auch das Wirtschaftsministerium anderer Auffassung. Es soll Ausnahmen geben für Härtefälle, flexible Übergangsfristen im Falle defekter Gasheizungen oder bereits geplanter Fernwärme-Anschlüsse, aber ansonsten wird die Erneuerbare-Heizung ab 2024 verpflichtender Standard bei Neubau oder Ersatz.

Auch hier weicht man im Grunde nicht allzu vom bisherigen Wortlaut ab. "Ausnahmen sind möglich", hieß es auch bislang im Bundeswirtschaftsministerium. 

Wie soll es jetzt weitergehen?

Klimafreundlicheres Heizen: Ja. Bezahlbares Heizen: Ja. Letzte Details soll die runde der Staatssekretäre der beteiligten Ministerien in den kommenden Tagen klären, man sei bereits zu 90 Prozent fertig, heißt es. Offen ist die konkrete Ausgestaltung zusätzlicher Förderungen und sozialer Beihilfen, die über die bereits bestehenden Förderungen von bis zu 45 Prozent der Gesamtkosten hinausgehen. Immerhin die Finanzierungsfrage ist gelöst worden - sehr zur Freude des Finanzministers. Das Geld soll nicht aus Lindners regulärem Haushalt kommen, sondern dem Klima- und Transformationsfonds entnommen werden, eines dieser "Sondervermögen", die die Ampel für solche Zwecke erfunden hat. Danach kann es sehr schnell gehen: Noch im April soll das fertige Gebäude-Energie-Gesetz im Kabinett verabschiedet werden, bis zur Sommerpause soll es der Bundestag beschließen, damit es zum 1. Januar 2024 in Kraft treten könnte.

Quellen: Beschlusspapier Bundesregierung; Koalitionsvertrag 2021; BundeswirtschaftsministeriumDeutschlandfunk; DPA

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel