Nach Störfällen Politik nimmt Vattenfall in die Mangel

Schwere Zeiten für Vattenfall: Nach der Pannenserie in Atomkraftwerken fordern die Grünen, dem Energiekonzern die Genehmigung als Kraftwerksbetreiber zu entziehen. In Schweden haben die Behörden das Vattenfall-AKW Ringhals wegen mehrerer Störfälle unter verschärfte Aufsicht gestellt.

Der Energiekonzern Vattenfall gerät wegen der zahleichen Pannen in Atomkraftwerken sowohl in Deutschland als auch in seiner Heimat Schweden immer stärker unter Druck. In Berlin forderten die Grünen am Mittwoch, Vattenfall nach den jüngsten Störfällen im AKW Krümmel die Genehmigung für den Betrieb von Kraftwerken zu entziehen. "Es reicht nicht, einen Kraftwerksleiter auszutauschen", sagte Fraktionschefin Renate Künast. Das Unternehmen habe gezeigt, dass es Atomkraftwerke nicht mit der nötigen Sorge und Kompetenz betreibe. Wer nach zahlreichen Störfällen einfach vergesse, Sicherheitstechnik einzubauen, der sei nicht zur Anwendung einer solchen Risikotechnik geeignet.

"Also kann es nicht nur heißen: Widerruf der Betriebsgenehmigung für Krümmel", mahnte Künast. "Es muss auch heißen: Vattenfall wird die Eignung abgesprochen, Atomkraftwerke zu fahren." Der großen Koalition warf sie mit Blick auf die Vorfälle in Krümmel Untätigkeit vor: "Viele reden in einer solchen Situation nette Worte, aber wenn es darum geht, auch wirklich die Taten zu zeigen, haben wir einen eklatanten Mangel."

In Schweden hat die Atomaufsichtsbehörde das von Vattenfall und Eon betriebene AKW Ringhals unter verschärfte Aufsicht gestellt. Nach zwei Störfällen der höchsten Gefahrenstufe seit Ende vergangenen Jahres hätten die Behörden "Schwächen in Bezug auf Führung und Kontrolle, die Zurückverfolgung interner Entscheidungen sowie das Befolgen von Routinen und Instruktionen" festgestellt, sagte ein Sprecher. Sicherheitsmaßnahmen seien seit Jahren vernachlässigt worden.

Das Staatsunternehmen sei verpflichtet worden, die seit Längerem bekannten Sicherheitsmängel zügig zu beheben. Vattenfall sei mehrfach ermahnt worden, die Sicherheitsstandards bei dem Meiler südlich von Göteborg zu verbessern, sagte Behördenchef Leif Karlsson. "Dennoch haben sie die Probleme nicht in den Griff bekommen." Die festgestellten Mängel in der Betriebsführung und der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften seien allerdings nicht so gravierend, dass eine Abschaltung des Meilers zu rechtfertigen wäre.

Ende 2008 hatte den Angaben zufolge das automatische Sicherheitssystem versagt, im März dieses Jahres hätten Kontrollstäbe zur Steuerung der Reaktoraktivität nicht funktioniert. Beide Einrichtungen seien wichtig, wenn ein Reaktor schnell abgeschaltet werden müsse. "Wertvolle Zeit hätte verloren gehen können", hieß es. Seit Anfang 2009 seien von der Anlage Ringhals etwa 60 Zwischenfälle gemeldet worden. Die meisten davon seien nicht schwerwiegend gewesen.

Dass ein Atomkraftwerk unter verschärfte Aufsicht gestellt wird, ist ein ungewöhnlicher Schritt. "Das ist in der Geschichte der schwedischen Atomkraft erst ein paar Mal vorgekommen", erklärte der Behördensprecher. Damit verbunden sind Ermittlungen und regelmäßige Berichte über den Betrieb der Anlage. In Ringhals produzieren vier Reaktoren ein Fünftel der schwedischen Elektrizität. Insgesamt verfügt Schweden über zehn Reaktoren.

Auch das Kraftwerk in Krümmel bei Hamburg gehört den Energiekonzernen Vattenfall und Eon gemeinsam, Vattenfall ist Betriebsführer. Ein Kurzschluss an den Trafos des AKW hatte bereits 2007 einen Brand ausgelöst, wonach der Reaktor für knapp zwei Jahre abgeschaltet war. Eine ähnliche Panne hatte am Wochenende zu einer Schnellabschaltung des Reaktors geführt. Als einen Grund für die erneute Panne hatte Vattenfall-Europe-Chef Tuomo Hatakka angegeben, eine Überwachungseinrichtung sei entgegen den Plänen nicht installiert worden. Als Konsequenz wurde der Kraftwerksleiter entlassen.

Künasts Co-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Jürgen Trittin, forderte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) auf, die Betreiber von Atomkraftwerken zur Anwendung des jeweils neuesten Stands von Wissenschaft und Technik zu zwingen. "Das heißt, dass er das neue kerntechnische Regelwerk für alle AKW tatsächlich verbindlich erklärt und nicht die Betreiber aussuchen lässt, ob sie den älteren, schwächeren Standard oder den aktuellen Stand der Technik zugrunde legen", sagte Trittin.

AP · DPA · Reuters
mad/Reuters/AP/DPA