Immer mehr Selbstständige in Deutschland sind wegen schlechter Geschäfte zusätzlich auf Hartz IV angewiesen. Von 2007 bis 2010 sei die Zahl der Selbstständigen, die ihre Einkünfte mit Hartz IV aufstockten, um mehr als 50.000 auf etwa 125.000 im Jahresdurchschnitt angestiegen, teilte eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit (BA) am Dienstag mit. Sie bestätigte damit einen entsprechenden Bericht der "Süddeutschen Zeitung".
Im Februar 2011 zählte die BA dem Bericht zufolge knapp 118.000 selbstständige Aufstocker. Rund 85.000 von ihnen hätten über ein Einkommen von weniger als 400 Euro verfügt, 25.000 bis zu 800 Euro verdient, der Rest etwas mehr. Einen deutlichen Anstieg der Aufstocker unter den Selbstständigen hatten die Jobcenter bereits im Jahr 2008 verzeichnet. Damals kletterte die Zahl der auf Hartz IV angewiesenen Selbstständigen von rund 72.000 auf knapp 96.000, um 2010 erneut deutlich zu steigen.
Verdacht des Missbrauchs
Arbeitsvermittler in den Jobcentern beobachteten dieses Phänomen nach Angaben der Zeitung mit Sorge, weil sie einen Missbrauch des Sozialstaates befürchteten. Denn Selbstständige könnten ihr Einkommen so herunterrechnen, dass sie auf dem Papier Anspruch auf die Hilfe zum Lebensunterhalt hätten, obwohl sie auf das Geld gar nicht angewiesen seien.
Nach Recherchen des Blattes tauchen in den Jobcentern immer wieder sogar Firmeninhaber mit mehreren Mitarbeitern auf, beantragen Hartz IV und bekommen es auch.
Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur, sprach sich für eine Debatte darüber aus, ob sich die Bezugsdauer von staatlichen Grundsicherungsleistungen für Selbstständige zeitlich begrenzen lasse. "Irgendwann muss man schwarze Zahlen schreiben oder - so weh es tut - die Selbstständigkeit aufgeben", sagte er dem Blatt. "Der Steuerzahler kann nicht auf Dauer eine nicht tragfähige Geschäftsidee mitfinanzieren."