Rede zur Lage in Israel Olaf Scholz macht Iran für Hamas-Angriff mitverantwortlich und will palästinensische Organisation verbieten

Olaf Scholz Bundestag
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gibt in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung zur Lage in Israel ab
© Bernd von Jutrczenka / DPA
Bei seiner Rede zur Lage in Israel findet Bundeskanzler Olaf Scholz klare Worte. Deutschland stehe an der Seite Israels – gleichzeitig rechtfertigt der Kanzler sein Treffen mit dem Emir von Katar.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Israel nach dem blutigen Angriff der islamistischen Hamas die volle Solidarität Deutschlands zugesichert. "In diesem Moment gibt es für Deutschland nur einen Platz: Den Platz an der Seite Israels", sagte der SPD-Politiker am Donnerstag in einer Regierungserklärung in Berlin. Scholz ergänzte: "Das meinen wir, wenn wir sagen: Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson."

Gleichzeitig verteidigte der Kanzler sein Treffen am Donnerstag mit dem Emir von Katar. Katar habe eine wichtige Mittlerrolle inne, die es gerade dieser Tage auch nutze. Scholz sagte weiter, er stehe in engem Kontakt mit dem ägyptischen Staatschef Abdel Fattah al-Sisi, der über Gesprächskanäle auch nach Gaza verfüge. Zudem spreche er noch am Donnerstag mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. "Alle drei können bei der Vermittlung und Deeskalation in der aktuellen Lage eine wichtige Rolle spielen."

"Es wäre unverantwortlich, in dieser dramatischen Lage nicht alle Kontakte zu nutzen, die helfen können. Wir tun dies im Übrigen in enger Abstimmung mit Israel und für diejenigen, die von der Hamas entführt wurden." Nächste Woche werde er zudem den jordanischen König Abdullah II empfangen, der eine besondere Rolle im israelisch-palästinensischen Verhältnis spiele, so der Kanzler.

Israel bittet Deutschland um Munition

Israel hat Deutschland bereits um Munition für Kriegsschiffe gebeten. Das sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Donnerstagmorgen am Rande eines Nato-Treffens in Brüssel. Zudem hat Israel nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur unter anderem auch wegen Blutkonserven und Schutzwesten nachgefragt.

Zugleich warnte der Bundeskanzler einer möglichen Ausweitung von Auseinandersetzungen. "Gemeinsam rufen wir alle in der Region auf, von weiteren feindseligen Akten gegen Israel abzusehen", sagte er. "Unsere Botschaft ist klar: Es wäre ein unverzeihlicher Fehler, Israel anzugreifen."

Scholz warnt vor Ausweitung des Israel-Konfliktes

Scholz äußerte "große Sorge" mit Blick auf die regionale Dimension des Konflikts. Ein Augenmerk liege dabei auf dem Süden des Libanon. Wie die Hamas unterhalte auch die Hisbollah enge Verbindungen mit dem Iran. Auch sie stelle das Existenzrecht Israels infrage. "Die Hisbollah darf nicht in die Kämpfe eingreifen", mahnte der Kanzler.

Dies hätte nicht nur eine gerechtfertigte und harte israelische Reaktion zur Folge. Der Libanon, der durch das unselige Handeln der Hisbollah ohnehin destabilisiert sei, geriete an den Rand des Abgrunds. "Vor allem aber drohte dann ein verheerender Flächenbrand – mit möglichen Auswirkungen bis nach Nordafrika und in den Jemen." Scholz betonte: "Gemeinsam mit unseren Partnern nutzen wir daher alle unsere Kanäle, um ein solch apokalyptisches Szenario zu verhindern."

Der Kanzler erläuterte: "Wir haben bisher zwar keine handfesten Belege dafür, dass Iran diesen feigen Angriff der Hamas konkret und operativ unterstützt hat." Aber allen sei klar: "Ohne iranische Unterstützung über die letzten Jahre wäre die Hamas zu diesen präzedenzlosen Angriffen auf israelisches Territorium nicht fähig gewesen." Jubelnde Äußerungen der Spitze des iranischen Regimes und manch anderer Regierungsvertreter in der Region seien abscheulich.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Keine Toleranz für Antisemiten

Für die Hamas kündigte der Kanzler ein Betätigungsverbot in Deutschland an. Zudem soll das palästinensische Netzwerk Samidoun verboten werden.

Die Hamas ist von der EU und den USA bereits als Terrororganisation eingestuft. Der Verein Samidoun, der sich selbst Gefangenensolidaritätsnetzwerk nennt, hatte bereits am Samstag die blutige Terrorattacke auf Israel bejubelt, indem es Süßigkeiten auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln verteilte. "Das ist abscheulich. Das ist menschenverachtend. Das widerspricht allen Werten, denen wir als Land verpflichtet sind", sagte Scholz. "Hass und Hetze nehmen wir nicht tatenlos hin. Antisemitismus dulden wir nicht."

Es dürfe keine Toleranz gegenüber Antisemiten geben. Das würden die Sicherheitsbehörden mit aller Konsequenz durchsetzen, betonte der Kanzler. "Wer die Verbrechen der Hamas verherrlicht oder ihre Symbole verwendet, macht sich in Deutschland strafbar. Wer Mord und Totschlag billigt oder zu Straftaten aufruft, macht sich strafbar. Wer israelische Flaggen verbrennt, der macht sich strafbar. Wer eine Terrororganisation wie die Hamas unterstützt, der macht sich strafbar."

Die Strafverfolgungsbehörden von Bund und Ländern würden jeden, der so etwas tut, zur Rechenschaft ziehen – mit allen Mitteln des Rechtsstaats. "Zu diesen Mitteln gehören ausdrücklich auch Vereins- und Betätigungsverbote", sagte Scholz. "Unser Vereinsrecht ist ein scharfes Schwert. Und dieses Schwert werden wir als starker Rechtsstaat hier ziehen."

Hinter der Hamas stehen nach Schätzungen des Verfassungsschutzes in Deutschland rund 450 Menschen, von denen viele deutsche Staatsbürger sind. Einen offiziellen Ableger der islamistischen Gruppierung gibt es hierzulande nicht. Vereine, die der Bewegung nahestanden, wurden vor einigen Jahren verboten.

Deutschland bemüht sich um Befreiung von Geiseln in Gaza

Der Bundeskanzler sicherte zudem zu, dass die Bundesregierung mit Hochdruck an der Befreiung der von der islamistischen Hamas entführten Geiseln arbeite. "Ihr Schicksal bewegt uns alle zutiefst", sagte Scholz. "Wir befürchten, dass die Hamas sie in den nächsten Wochen weiter als menschliche Schutzschilde missbrauchen wird", sagte Scholz. "Und wir arbeiten mit ganzer Kraft daran, dass alle Geiseln wieder freikommen – in enger Abstimmung mit Israel und mit der gebotenen Vertraulichkeit."

Viele der Verschleppten seien von ihren Entführern schwer an Leib und Seele verletzt und auf widerwärtigste Weise erniedrigt worden. Auch mehrere Deutsche seien unter den über hundert Geiseln der Hamas, sagte Scholz. Zum Zeitpunkt des Angriffs hätten sich auch deshalb zahlreiche Deutsche in Israel aufgehalten, weil viele Deutsche in Israel lebten, oft Angehörige beider Staaten. "Viele Israelis leben hier in Deutschland. Viele von uns haben Freunde im jeweils anderen
Land."

DPA
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