Pleite-Banken Kabinett beschließt Enteignungsgesetz

Der Notausgang ist offen: Um marode Banken verstaatlichen zu können, hat die Große Koalition in ihrer Kabinettsitzung Änderungen am Finanzmarkt-Stabilisierungsgesetz beschlossen. Allerdings besteht die Möglichkeit nur für wenige Monate.

Die Bundesregierung hat die Weichen für eine Enteignung angeschlagener Banken im äußersten Notfall gestellt. Das Kabinett billigte am Mittwoch das sogenannte Rettungsübernahmegesetz. Der Gesetzentwurf stellt klar, dass eine Enteignung nur das letzte Mittel sein kann. Zuvor müssen alle anderen, weniger einschneidenden Maßnahmen zur Rettung der Bank und zur Übernahme staatlicher Kontrolle gescheitert sein.

Das Gesetz setzt zwei Fristen. Zum einen soll das Verfahren für eine Enteignung bis Ende Juni eingeleitet sein. Eine entsprechende Verordnung auf Enteignung müsste dann bis Oktober erlassen werden. Damit soll deutlich gemacht werden, dass eine Verstaatlichung keine dauerhafte Option darstellen soll. In der jetzigen Fassung ist das Gesetz praktisch voll auf die angeschlagene Hypo Real Estate (HRE) zugeschnitten.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) vertedigte nach der Kabinettsentscheidung die umstrittenen Gesetzespläne. Ziel sei, eine systemrelevante Bank zu stabilisieren, sagte er. Ein Zusammenbruch der Hypo Real Estate könne eine Erschütterungsdynamik über Deutschland hinaus auslösen.

Aktionärvertreter und Wirtschaftsverbände reagierten dagegen mit heftiger Kritik. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) drohte mit einer Verfassungsbeschwerde gegen das Übernahmegesetz. Sollte es bei der HRE zu einer Enteignung kommen, ohne andere aktienrechtliche Möglichkeiten auszuschöpfen, sei dies ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip des Grundgesetzes, hieß es. Der normale Weg sei der einer Kapitalerhöhung, über die der Bund die Kontrollmehrheit erlangen könnte. Die DSW prüfe daher eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht.

Der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände, Reinhard Göhner, zeigte sich "entsetzt". "Jegliche Form von Verstaatlichung oder Enteignung sind völlig fehl am Platz", sagte er dem Sender n-tv. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sprach von einem Tabubruch.

"Die mögliche Enteignung von Aktionären im Gesetz zu verankern, dazu sagen wir klar Nein", erklärte auch der Präsident des Bundes Deutscher Industrie, Hans-Peter Keitel. "Was wir jetzt am dringendsten brauchen, ist Vertrauen." Keitel warnte, mit einer Enteignung gingen die ordnungspolitischen Grundsätze über Bord. "Das zerstört das Vertrauen von in- und ausländischen Investoren in den Standort Deutschland nachhaltig."

Neben dem Rettungsübernahmegesetz beschloss das Kabinett am Mittwoch auch Änderungen an dem erst im Oktober geschnürten Banken-Rettungspaket von 480 Milliarden Euro. So wird die Garantiezeit für Anleihen deutscher Banken von drei auf fünf Jahre ausgeweitet. Außerdem einigten sich die Bundesminister und die Kanzlerin auf schärfere Regeln für die Beratung von Bankkunden. Damit sollen Verbraucher besser vor negativen finanziellen Folgen geschützt werden. Künftig sollen Banken und Finanzvermittler demnach jedes Beratungsgespräch dokumentieren. Die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche soll von drei auf zehn Jahre erweitert werden. Die Banken lehnen eine Verschärfung der bestehenden Regeln ab. Eine Studie im Auftrag des Bundesverbraucherministeriums hatte ergeben, dass den Bundesbürgern pro Jahr bis zu 30 Milliarden Euro durch schlechte Finanzberatung verloren gehen.

AP · DPA · Reuters
DPA/Reuters/AP

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