Reaktion auf Solingen Messerverbote und Asyl-Verschärfungen: Das steckt im Ampel-"Sicherheitspaket"

Von links: Anja Hajduk (Bündnis 90/Die Grünen), Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD)
Von links: Anja Hajduk (Bündnis 90/Die Grünen), Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD)
© Kay Nietfeld / DPA
Ist das ein Befreiungsschlag? Kurz vor den Landtagswahlen legt die Ampel-Koalition ein weitreichendes Maßnahmenbündel vor. Die wichtigsten Punkte im Überblick.

Die Ampel-Koalition will mit einem "Sicherheitspaket" kurz vor den Landtagswahlen ein Signal der Härte und Entschlossenheit nach dem tödlichen Messerangriff von Solingen senden. Das Waffenrecht soll durch Messerverbote verschärft, die Befugnisse von Sicherheitsbehörden ausgeweitet und teils drastische Rechtsanpassungen in der Asylpolitik vorgenommen werden – bis hin zu einem vollständigen Leistungsausschluss für so genannte "Dublin-Flüchtlinge". 

In einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag sprach Innenministerin Nancy Faeser (SPD) von "weitreichenden" und "harten" Schritten, Justizminister Marco Buschmann (FDP) von "sachangemessenen Konsequenzen", die die Sicherheitslage "angemessen" verbessern sollen. Diese seien nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Terroranschlag notwendig geworden, ergänzte Anja Hajduk, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne), die stellvertretend für den Vizekanzler das Maßnahmenbündel vorstellte. Das Sicherheitspaket sei in den vergangenen Tagen geschnürt worden. 

Verschärfung des Waffenrechts – "Gesichtserkennung" kommt

So soll ein generelles Umgangsverbot für "gefährliche Springmesser" im Waffenrecht eingeführt werden, heißt es im Maßnahmenkatalog. Das Papier liegt dem stern vor. Demnach sollen nur bestimmte Berufs- und Personengruppen wie Jäger oder Handwerker unter Voraussetzungen davon ausgenommen sein. 

Außerdem werde ein "absolutes Messerverbot" auf Volksfesten, Sportveranstaltungen, Messen, Ausstellungen, Märkten oder ähnlichen öffentlichen Veranstaltungen eingeführt. Dazu werde § 42 Abs. 1 Waffengesetz (WaffG) entsprechend geändert und ein gesetzliches Messerverbot durch Bundesrecht geschaffen, sodass es keiner Ermächtigung der Landesregierung bedürfe. Begründete Ausnahmen seien demnach weiter möglich,  soweit es etwa für den Veranstaltungszweck (Gastronomie, Märkte, Schausteller) erforderlich sei. Die Länder sollen ermächtigt werden, absolute Messerverbote an kriminalitätsbelasteten Orten wie an Bahnhöfen einzuführen. Auch sind Messerverbote im öffentlichen Personenverkehr vorgesehen, im Fernverkehr sind bundesweit einheitliche Regelungen für alle Beförderer (Bahn, Fernbus etc.) geplant. Die Bundespolizei erhalte die Befugnis, stichprobenartig verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen. 

"Extremisten dürfen nicht in den Besitz von Waffen kommen", heißt es weiter. Folglich sollen die Anforderungen für einen Waffenschein erhöht werden, indem künftig auch die Bundespolizei, Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt abgefragt werden sollen, wenn jemand eine waffenrechtliche Erlaubnis beantrage oder die Zuverlässigkeit eines Antragsstellers geprüft wird. 

Auch sollen Maßnahmen gegen "gewaltbereiten Islamismus" getroffen werden, die Ermittlungsbehörden unter Beachtung der KI-Verordnung und datenschutzrechtlichen Anforderungen die Befugnis zum biometrischen Abgleich von allgemein öffentlich zugänglichen Internetdaten ("Gesichtserkennung") erlaubt werden. Das soll die Identifizierung von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen erleichtern. Die automatisierte Analyse polizeilicher Daten durch das BKA und die Bundespolizei werde auch durch KI-Unterstützung ermöglicht, im rechtlich zulässigen Rahmen, den etwa das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat.

Schärfere Regeln für Flüchtlinge

Nicht zuletzt in der Asylpolitik plant die Bundesregierung weitreichende Verschärfungen. Der mutmaßliche Täter von Solingen ist ersten Erkenntnissen zufolge ein syrischer Flüchtling, der über Bulgarien in die Bundesrepublik eingereist ist. Nach EU-Recht (Stichwort: Dublin-Verordnung) wäre Bulgarien für den Mann zuständig gewesen. Die deutschen Behörden scheiterten jedoch mit seiner Überstellung. Seitdem läuft eine heftige Debatte. Mit dem neuen Paket versucht die Bundesregierung auch, endlich aus der Defensive zu kommen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Wer in Deutschland keinen Anspruch auf Schutz hat, muss unser Land auch wieder schneller verlassen", sagte Innenministerin Faeser. Asylbewerbern, die ohne einen zwingenden Grund – wie beispielsweise eine Beerdigung – in ihr Heimatland reisten, "soll der Status als Flüchtling oder der subsidiäre Schutzstatus aberkannt werden". Geflüchtete aus der Ukraine sind hiervon nicht betroffen. Derweil arbeite man "mit Hochdruck" daran, dass Abschiebungen von Straftätern und terroristischen Gefährdern auch nach Afghanistan und Syrien wieder möglich sind. Rückführungen in diese beiden Länder sind derzeit ausgesetzt. 

Die Schwelle für ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse soll abgesenkt werden, wenn die Straftat unter Verwendung einer Waffe oder eines sonstigen gefährlichen Werkzeugs begangen worden ist. Auch die Ausschlussgründe für die Asylberechtigung und die Flüchtlingseigenschaft sollen verschärft werden. Geplant ist die Einrichtung einer "Dublin-Taskforce" von Bund und Ländern, die "sämtliche Prozesschritte" des Dublin-Verfahrens analysieren und die Zahl der Rücküberstellungen steigern soll. 

"Dublin-Flüchtlinge" sollen künftig keine Sozialleistungen mehr erhalten, also Geflüchtete, die zuvor in einem anderen EU-Land bereits registriert wurden. Diese Menschen sollten "vom Bezug von Leistungen ausgeschlossen werden", sagte Innenministerin Faeser. Dabei werde jedoch ein menschenwürdiger Umgang mit allen Betroffenen gewährleistet. Niemand werde verhungern, versicherte die SPD-Politikerin. 

Noch in diesem Jahr wolle die Bundesregierung die gesetzlichen Regelungen zur Reform des EU-Asylrechts (GEAS) dem Parlament vorlegen, die Verhandlungen von weiteren Migrationsabkommen und -kooperationen "mit Nachdruck" vorantreiben. 

Sowohl Faeser als auch Buschmann warben dafür, dass die Maßnahmen "schnellstmöglich umgesetzt" werden. Das Maßnahmenpaket müsse noch von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. 

Die Ampel will nicht nur Entschlossenheit demonstrieren, sondern auch Geschlossenheit: Eine Verschärfung des Waffenrechts hatte Innenministerin Faeser beispielsweise schon länger geplant, jedoch hatte hier insbesondere die FDP Bedenken. Auch die "Gesichtserkennung" war lange Zeit umstritten. Nach dem Messerangriff von Solingen, zumal wenige Tage vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, war der Handlungsdruck offenkundig groß. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) attestierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dass ihm das Land entgleite.

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