Der Reform-Poker zwischen Regierung und Opposition wird auf höchster politischer Ebene entschieden. Die Vorsitzenden der Oppositionsparteien Angela Merkel (CDU), Edmund Stoiber (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) wollen kommenden Sonntag an den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss teilnehmen, wie am Donnerstag bekannt wurde. Die SPD will möglichst Bundeskanzler Gerhard Schröder entsenden, der am Wochenende auf dem EU-Verfassungsgipfel in Brüssel ist.
Er sei "zu einem Treffen an jedem Ort zu jeder Zeit" bereit, sagte Schröder der ARD. Falls der Kanzler nicht rechtzeitig aus Brüssel zurückkommt, soll die SPD von Fraktionschef Franz Müntefering vertreten werden, wie aus Verhandlungskreisen verlautete.
Eichel mit am Verhandlungstisch
Trotz eines Kompromisssignals von Finanzminister Hans Eichel (SPD), der erstmals mit am Verhandlungstisch saß, war ein rascher Durchbruch weiter nicht in Sicht. Die Union erteilte Bestrebungen im rot-grünen Lager auf eine Grundsatzeinigung über das Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 auf 2004 bis zum Freitag eine klare Absage. Man sei in zentralen Fragen noch viel zu weit auseinander, betonten CDU/CSU-Spitzenpolitiker.
Eichel erklärte sich bereit, die Unionsforderung zu erfüllen, das Vorziehen der Steuerreform zu höchstens 25 Prozent mittels Schulden zu bezahlen, falls im Gegenzug der Subventionsabbau forciert werde. Dem Wunsch der Union, sein Konzept zur Finanzierung der zusätzlichen Steuersenkungen von fast 16 Milliarden Euro vollständig zurückzuziehen, kam Eichel nicht nach. Er legte der Union auch kein konkretes Angebot vor.
Subventionen weiterhin auf dem Prüfstand
Der Sozialdemokrat zeigte sich kompromissbereit. "Es muss nichts genauso kommen, wie wir es auf den Tisch gelegt haben." Eichel ist nach eigenen Worten bereit, wesentlich mehr Subventionen abzubauen als von den Ministerpräsidenten Roland Koch (Hessen/CDU) und Peer Steinbrück (NRW/SPD) vorgesehen. Ihrem Plan zufolge sollen die Staatshilfen in den kommenden drei Jahren um fast 16 Milliarden Euro gekürzt werden.
Stoiber und der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) wiesen Meldungen scharf zurück, sie hätten mit dem baden-württembergischen Regierungschef Erwin Teufel (CDU) vereinbart, den Steuersenkungen im Bundesrat auf alle Fälle zuzustimmen. Stoiber sprach von "totalem Unsinn". Althaus erklärte: "Wir scheren nicht aus." Sie beharrten darauf, die Steuerausfälle zu höchstens 25 Prozent mittels Krediten aufzufangen. Laut "Süddeutscher Zeitung" soll sich Stoiber von dieser Unionsforderung verabschiedet haben.

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Forderungen aus dem SPD-Lager
Die Bundesregierung wird nun auch mit Forderungen aus dem SPD-Lager konfrontiert. Der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck machte seine Zustimmung zu den rot-grünen Projekten von Zugeständnissen an die neuen Länder abhängig. Der Sozialdemokrat warnte vor neuen Lasten für den Osten.
Lediglich bei kleineren Reformvorhaben wie der Modernisierung der Handwerksordnung, der Amnestie für Steuersünder und der Tabaksteuererhöhung zeichneten sich Kompromisse ab. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sowie die Gemeindefinanzreform müssen eventuell um ein Jahr auf 2005 verschoben werden.
Zeit läuft am Dienstag ab
Die 32 Unterhändler von Bund und Ländern stehen massiv unter Zeitdruck. Wenn die Gesetze wie geplant zum Jahreswechsel in Kraft treten sollen, müssen sie sich bis Dienstag einigen.