Bundeskanzler Gerhard Schröder muss im Streit über seinen Reformkurs weiter heftige Kritik von Gewerkschaften und Parteilinken einstecken. Er kann aber bei den Bundestagsabstimmungen über die geplanten Einschnitte ins Sozialsystem mit der Zustimmung der Liberalen rechnen. "Die FDP ist bereit, marktwirtschaftlichen Reformen zu einer Mehrheit in Bundestag und Bundesrat zu verhelfen, auch wenn Herr Schröder vorläufig nur Minimal-Reformen plant", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle der "Berliner Zeitung".
Peters droht mit Protestaktionen
Der designierte IG-Metall-Chef Jürgen Peters forderte die Sozialdemokraten unter den Gewerkschaftern auf, das von SPD-Linken initiierte Mitgliederbegehren gegen die geplanten Arbeitsmarkt- und Sozialreformen zu unterstützen. Zudem drohte er im Gespräch mit dem "Handelsblatt" erneut mit Protestaktionen. Peters ging allerdings davon aus, dass das Begehren durch den Sonderparteitag "abgebogen" werde.
Zitat
"Es gibt tief greifende Diskussionen innerhalb der Partei. Da kann man nicht einfach sagen, Augen zu und durch"
Ottmar Schreiner, Chef der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen
Auch der Chef der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, Ottmar Schreiner, warnte den Kanzler davor, sein politisches Schicksal auf dem Sonderparteitag von der Zustimmung zu seinem Konzept abhängig zu machen. "Es gibt tief greifende Diskussionen innerhalb der Partei. Da kann man nicht einfach sagen, Augen zu und durch", sagte Schreiner, der zu den Initiatoren des Mitgliederbegehrens zählt, am Dienstagabend dem Fernsehsender Phoenix. Der für den 1. Juni geplante Sonderparteitag dürfe nicht dazu benutzt werden, unliebsame Kritiker ruhig zu stellen, sondern müsse Kompromisse finden.
Kritiker bleiben unbeeindruckt
SPD-Chef Schröder hatte zuvor in Hannover am Rande eines Treffens mit dem britischen Premierminister Tony Blair gesagt: "Ich gehe davon aus, dass es auf dem Parteitag eine breite Mehrheit für die Unterstützung der Agenda 2010 geben wird."

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Jedem SPD-Mitglied, das sich abweichend verhalte, müsse klar sein, dass es auch um die Zukunft der Partei gehe. SPD-Fraktionschef Franz Münteferings hatte am Dienstag gewarnt, ein Mitgliederbegehren und ein anschließender Entscheid des Vorstands würden die Handlungsfähigkeit von Fraktion und Regierung für sechs Monate blockieren. Auch deshalb müsse der Sonderparteitag entscheiden. Trotz aller Querelen erwarte er, dass die Kritiker bei der Abstimmung über weite Teile der Gesetzentwürfe im Bundestag noch vor der Sommerpause mit der Mehrheit stimmten. SPD und Grüne haben im Parlament eine Mehrheit von fünf Stimmen.
Die Kritiker blieben unbeeindruckt. "Wir werden an dem Begehren festhalten", sagte der Abgeordnete Rüdiger Veit nach der Aussprache. Sollte er dabei allerdings überlegen, müsse er sich im Parlament daran halten oder sein Bundestagsmandat zurückgeben.
Westerwelle sagte: "Es ist besser, einen Schritt in die richtige Richtung zu tun als zehn in die falsche." Das Frühjahrsgutachten der sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute spreche eine eindeutige Sprache für eine Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft. Wer jetzt nicht den Weg zu den Reformen finde, die Deutschland für mehr Arbeitsplätze brauche, der mache das Land kaputt.