Rettungsschirm für den Euro Beklemmung vor dem Tag X

SPD, Grüne und Linke machen nicht mit, selbst bei FDP und Union gibt es Abweichler: Heute soll der Bundestag die Regierung ermächtigen, Bürgschaften in Höhe von knapp 148 Milliarden Euro an klamme EU-Länder zu verteilen. Ein Rundgang vor der Abstimmung.

Donnerstagvormittag, Brandenburger Tor: Ein weiß gepanzerter Soldat aus der Science-Fiction-Serie "Star Wars" vertritt sich die Füße. Auch ein Offizier der Roten Armee und ein amerikanischer Militär haben Stellung bezogen. Die Touristen lachen, die Kameras klicken, jeder kann sich mit diesen dramatisch kostümierten Figuren fotografieren lassen - Kostenpunkt: ein Euro. Es ist ein kleines Geschäft, das hier betrieben wird.

Und dann wären da noch etwa 30 bis 40 Robin Hoods, in grüner Kluft, manche tragen sogar Pfeil und Bogen. Das Bild mit ihnen ist kostenlos, denn das ist ein "Foto-Stunt", wie die Pressedame sagt, den ein Jesuitenpater, Oxfam und Attac inszenieren. Der Zweck der Übung steht in großen Lettern auf Transparenten: "Armut bekämpfen. Entwicklung finanzieren. Klima schützen." Und damit auch jeder versteht, wie das zu erreichen ist, fährt eine Kutsche mit prall gefüllten Geldsäcken vor. Die Robin Hoods entern das Gefährt und stibitzen kleinere Geldsäcke. Das soll versinnbildlichen, was eine Finanztransaktionssteuer leisten könnte. "Es gibt nun eine reale Möglichkeit, eine solche Steuer einzuführen", schwärmt Jesuitenpater Jörg Alt. Später sagt er, dass er mal Politiker werden wollte.

Auch Unionisten wird schwummerig

Die realen Politiker, vor allem jene der SPD, glauben auch daran. Aber da sich die Regierungskoalition nicht kompromisslos dem Ziel einer Finanzmarkttransaktionssteuer verschrieben hat, wollen sich die Sozialdemokraten bei der Abstimmung über das Euro-Rettungspaket am Freitag enthalten. Gleiches werden die Grünen tun, aber aus einem anderen Grund: Sie wollen zunächst den Vertrag über die Zweckgesellschaft prüfen, der Kreditgarantien an notleidende EU-Staaten ausgeben soll. Es geht um ein Gesamtvolumen von 750 Milliarden Euro, Deutschland soll Bürgschaften in Höhe von knapp 148 Milliarden Euro beisteuern. Bei diesen Summen wird selbst Christdemokraten schwummerig. Nach stern.de-Informationen zählte die Unionsfraktion bei der Probeabstimmung am Donnerstag sieben Nein-Stimmen, zwei Enthaltungen und drei Ausfälle wegen Krankheit. Die FDP meldet optimistisch, dass sie die meisten Abweichler eingefangen habe. Gleichwohl: Es könnte knapp werden. "Wir ziehen uns warm an", sagt einer aus der CDU-Fraktion.

Die Finanzmarkttransaktionssteuer, Objekt der Begierde aller Robin Hoods, ist an diesem Donnerstag ohnehin vorerst gescheitert. Der Vertreter des kanadischen Finanzministeriums, der zur internationalen Finanzmarktkonferenz in Berlin angereist ist, bescheidet knapp, dass sein Land dies nicht mittragen wird. Kanzlerin Angela Merkel nennt das "extrem frustrierend", will auf dem G-20-Gipfel in zwei Wochen jedoch weiter dafür werben, dass die Finanzbranche an den Kosten der Krise beteiligt wird, mit welcher Steuer auch immer. Merkel steht unter großem Druck, am Mittag läuft eine Emnid-Umfrage über den Ticker, wonach 63 Prozent der Bürger kritisieren, sie habe ihre Regierung nicht im Griff und beweise keine Führungskompetenz. Die Union fällt in dieser Umfrage, die der TV-Sender N24 veröffentlicht, auf 31 Prozent Zustimmung.

Sarkozy und die "Vollkaskoversicherung"

Der große Saal im Bundesfinanzministerium an der Wilhelmstraße, einem monumentalen Steinklotz aus der Nazi-Ära, ist beinahe bis auf den letzten Platz besetzt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gibt am Nachmittag Auskunft über die Resultate der Finanzmarktkonferenz. Er sagt: "Das Verfahren, das wir diese Woche anwenden müssen, können wir ja nicht jedes Mal anwenden." Soll heißen: Es ist unmöglich, noch mehr Milliardenbürgschaften auszustellen, wenn wieder ein Land der Eurozone kurz vor dem Bankrott steht. Deshalb sei es dringend geboten, die Möglichkeit einer "geordneten Restrukturierung" zu schaffen. Was wiederum bedeutet, dass ein solches Land dann von allen gerettet werden muss, auch von den Banken.

Hans-Werner Sinn, Chef des Münchener Ifo-Instituts, hätte die Banken gerne jetzt schon beteiligt. Über den Rettungsschirm, den die EU nun aufspannt, sagt er stern.de beim Verlassen des Finanzministeriums: "Das ist wie eine Vollkaskoversicherung." Richtig wäre im Fall Griechenlands ein "Haircut" gewesen, also eine Beschneidung sämtlicher Forderungen, die an das Land gestellt werden. Dies aber hätten die Südländer verhindert. Wie der britische "Guardian" berichtet, hat Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy Merkel damit gedroht, die deutsch-französische Freundschaft aufzukündigen und aus der Eurozone auszusteigen, wenn sie sich nicht zu dem Rettungsschirm verpflichtet. Sicher ist, dass eine Pleite Griechenlands vor allem französische Banken getroffen hätte. Sie hatten mehr als 52 Milliarden in griechischen Staatsanleihen investiert.

Die SPD und ein sehr großes Problem

Und die Finanzmarkttransaktionssteuer? Ach ja, sagt Sinn. Die würde von der Koalition doch nur so heiß diskutiert, um die SPD ins Boot zu holen. Sicher, diese Steuer könne die Spekulation etwas eindämmen und Geld in die Staatskassen spülen. Aber das Problem sei doch sehr viel größer.

Das, so viel ist sicher, sehen auch Merkel und Schäuble so.