Graichen-Affäre Ein übellauniger Robert Habeck in den "Tagesthemen": "Beleidigungen, teilweise Lügen"

Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister (Bündnis90/Die Grünen), im "Tagesthemen"-Interview mit Ingo Zamperoni
Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister (Bündnis90/Die Grünen), im "Tagesthemen"-Interview mit Ingo Zamperoni
© Screenshot "Tagesthemen"
Die Debatte um Staatssekretär Patrick Graichen kommt für Wirtschaftsminister Robert Habeck zu einem ungünstigen Zeitpunkt. In den "Tagesthemen" wird er deswegen von Ingo Zamperoni gegrillt. Habeck reagiert gereizt.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat in der Affäre um seinen Staatssekretär Patrick Graichen der Opposition im Bundestag erneut vorgeworfen, den Fall auch dafür zu nutzen, um die Klimaschutzpläne der Ampel-Regierung zu stoppen. Es seien "mit einer Härte und fast Böswilligkeit Unterstellungen, Beleidigungen, teilweise Lügen" verbreitet worden, um die Verhinderung der Dekarbonisierung des Klimaschutzes im Wärmebereich durchzusetzen, sagte der Grünen-Politiker am Mittwochabend in den ARD-"Tagesthemen". "Und da bin ich nicht bereit, Menschen zu opfern, um dieser Kampagne nachzugeben."

Habeck wirft seinen politischen Gegnern vor, die Personalie mit der Kritik an dem geplanten neuen Gebäudeenergiegesetz zu verknüpfen. Das Gesetz sieht im Kern vor, dass ab dem Jahr 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Als wichtigste Technologie dafür gilt die Wärmepumpe. "Die Opposition hat sich entschieden, für die Öl- und Gasheizung zu kämpfen und nutzt eben diese Personalie auch, um diesen Kampf zu führen", sagte Habeck in der Sendung. "Ich möchte gerne die Sachen trennen – ob ich damit durchkomme, ob das erfolgreich sein wird, werden wir sehen."

Ingo Zamperoni grillt Robert Habeck in den "Tagesthemen"

Graichen steht in der Kritik, weil er an der ursprünglichen Neubesetzung einer der beiden Chefposten der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena) beteiligt war. Der Posten war zunächst dem früheren Berliner Grünen-Politiker Michael Schäfer zugesprochen worden. Graichen soll nicht transparent gemacht haben, dass Schäfer sein Trauzeuge war. Nach Bekanntwerden der privaten Verbindungen Schäfers ins Bundeswirtschaftsministerium entschied der Aufsichtsrat der Dena vergangene Woche, die Besetzung des Postens neu auszuschreiben.

"Wir gehen offen mit dem Problem um", sagte Habeck. Die Affäre um den Staatssekretär sei dennoch "schwierig und herausfordernd". Graichen und er hatten Fehler eingeräumt. Das Verfahren zur Personalauswahl soll nun neu aufgerollt werden. Aber Habeck "biete eine Angriffsfläche, weil wir die Dinge ändern".

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"Tagesthemen"-Moderator Ingo Zamperoni hackt nach, grillt den Wirtschaftsminister im Interview aber weiter. Ob er mit dem Beharren auf Graichen die Energiewende gefährde? Eine Entlassung Graichens gebe die Sache nicht her, antwortet er sichtbar misslaunig. "Das strategische Argument, 'Mach es dir doch bequem und werde wieder beliebter und deswegen entlass' Leute' ist eine Art, die ich eigentlich nicht pflegen möchte", so Habeck. Er wolle die Dinge trennen.

Opposition fordert Absetzung von Patrick Graichen

Zamperoni grätscht dazwischen: "Sie trennen es, Herr Habeck, aber die Opposition wird es nicht trennen!"

Habeck reagiert gereizt: "Und was ist die Frage dahinter? Ich glaub', ich hab' sie beantwortet."

"Herr Habeck, das hatten wir doch schon mal", antwortet der Moderator lächelnd. Ob er der Opposition das nicht umgekehrt genauso vorwerfen würde? Das sei eine hypothetische Frage, wiegelt der Minister die Frage ab.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Nach einer Anhörung in einer gemeinsamen Sitzung der Bundestagsausschüsse für Wirtschaft und für Energie sagte Habeck am Mittwoch, er habe entschieden, dass Graichen nicht gehen müsse. Graichen beteuerte, er habe weder Schäfer noch anderen Kandidaten Hinweise gegeben oder Vorteile verschafft. Es sei aber ein Fehler, dass er sich wegen der Kandidatur Schäfers nicht aus dem Verfahren zurückgezogen habe.

Oppositionsvertreter zeigten sich nach der Sitzung unbeeindruckt und forderten weitere Aufklärung oder Graichens Absetzung. Kritik gab es beispielsweise auch an personellen Verflechtungen im Wirtschaftsministerium. Graichens Schwester, verheiratet mit dessen Staatssekretärs-Kollegen Michael Kellner, arbeitet wie auch ihr Bruder beim Öko-Institut – einer Forschungseinrichtung, die Aufträge vom Bund bekommt. Das Ministerium betont, Kellner und Graichen seien nicht an Ausschreibungen beteiligt gewesen, auf die sich das Öko-Institut hätte bewerben können.

DPA · AFP
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