Roland Koch "Ja, ich bin für Wolfgang Schäuble"

Wer wird der nächste Bundespräsident? Hessens Regierungschef Roland Koch über seinen Favoriten, die neue Stärke der Angela Merkel und die Chancen einer großen Steuerreform.

Herr Ministerpräsident, im Mai wird ein neuer Bundespräsident gewählt. Wer geht für CDU und CSU als Kandidat ins Rennen?

Es wird in den nächsten Wochen einen gemeinsamen Vorschlag der Union geben.

Wir hätten es gerne präziser: Sind Sie für Wolfgang Schäuble?

Ja. Ich persönlich glaube, dass es in der CDU/CSU eine sehr starke Strömung gibt, weit über traditionelle Gruppierungen oder regionale Zonen der Union hinaus, die in Wolfgang Schäuble einen sehr geeigneten Bewerber sehen.

Denkt auch Angela Merkel so?

Sie machen ein Interview mit mir. Machen Sie eines mit ihr, dann können Sie die CDU-Vorsitzende selbst fragen.

Mit keiner Silbe hat sie bisher Sympathie für Schäuble erkennen lassen.

Wir haben verabredet, dass das Thema im Januar besprochen wird.

Frau Merkel hat bisher kein Wort mit Schäuble über dieses Thema geredet.

Daraus schließe ich nicht auf das Ergebnis.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Halten Sie auch einen Kandidaten Stoiber für denkbar - trotz aller Dementis?

Ich bin fest davon überzeugt, dass Edmund Stoiber nicht Präsident werden will.

Was spricht dagegen, dass ein CSU-Vorsitzender Präsident wird?

Gar nichts spricht gegen einen CSU-Mann. Aber die Dynamik, die Tatkraft und der in diesen Tagen sehr, sehr sichtbare Gestaltungswille Stoibers sprechen dagegen, dass er daran denkt, sich auf ein repräsentatives Amt zurückzuziehen.

Könnten Sie auch einen FDP-Kandidaten akzeptieren?

Ich rate der CDU, alles zu unternehmen, damit ein CDU-Kandidat Präsident wird. Wir sind die stärkste Kraft in der Bundesversammlung. Und die Hälfte der Wähler ist davon überzeugt, dass CDU und CSU die richtigen Parteien sind, um die Probleme des Landes zu lösen. Das muss bei der Präsidentenwahl sichtbaren Ausdruck finden.

Frau Merkel liebäugelt mit dem Gedanken, den FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt aufzubieten, weil sie die Mehrheit für Schäuble nicht für gesichert hält.

Davon weiß ich nichts.

Könnten Sie Gerhardt akzeptieren, der in der hessischen Schwarzgeldaffäre einer Ihrer härtesten Kritiker war?

Ich habe mir angewöhnt, nicht wahnsinnig nachtragend zu sein. Ich kann mir Wolfgang Gerhardt unverändert als politischen Partner vorstellen. Aber meine Präferenz in der Bundespräsidentenfrage gilt ganz klar Schäuble.

Frau Merkel befürchtet, er könnte zu viele Gegner in der Union haben, weil er als Fraktionschef nicht mit Samthandschuhen geführt hat.

Wer in einem fairen Verfahren innerhalb der Union nominiert wird, der bekommt auch ihre Stimmen in der Bundesversammlung. Es wird nie Kandidaten geben, bei denen alle einer Meinung sind, ehe die Wahl stattfindet. Das müssten ja Menschen ohne Kanten und Konturen sein. Schäuble ist ein Mann mit Profil, er hat seine bewundernswerte politische wie persönliche Geschichte in der CDU. Ihm gilt meine Sympathie.

Wer entscheidet eigentlich, wer Kandidat wird? Die beiden Parteichefs alleine?

Wir haben die Tradition, dass solche Entscheidungen in den Präsidien von CDU und CSU getroffen werden. Dass dabei die beiden Parteichefs ein Vorschlagsrecht haben, ist selbstverständlich. Dass dann diskutiert wird aber auch, denn wir sind zwei lebendige Parteien.

Das schließt ein neuerliches Frühstück in Wolfratshausen zwischen Stoiber und Merkel aus, wie es 2002 zur Klärung der Kanzlerkandidatenfrage stattgefunden hat?

Dafür sehe ich keinen Bedarf. Die beiden Vorsitzenden arbeiten so eng miteinander zusammen, dass sie ohnehin alles voneinander wissen. Und das ist auch gut so.

Auf dem Leipziger CDU-Parteitag hatte man überhaupt nicht den Eindruck, dass eitel Harmonie herrscht zwischen CDU und CSU. Für Stoiber gab's kaum Pflichtapplaus.

Jeder CSU-Chef weiß, dass er einerseits die Aufgabe der Integration seiner Partei in die Gesamtunion hat. Dies hat in der Geschichte der CSU keiner besser geleistet als Stoiber. Er wird daher eine Integrationsfigur in der gesamten Union auch in Zukunft bleiben. Es gehört aber andererseits auch zum Wesenskern der CSU, sich an der CDU zu reiben. Wenn sie das nicht mehr tut, verliert sie einen Teil ihrer Identität. Deshalb wird es in unserer Beziehung immer ein bisschen Auf und Ab geben.

In Leipzig wurde doch klar: Noch einmal wird Stoiber nicht Kanzlerkandidat.

Diese Kandidatendiskussion führen wir dann, wenn es richtig ist - frühestens im Herbst 2005.

<zwitiEs kann doch keinen Zweifel mehr daran geben, dass Merkel 2006 die Union in den Kampf gegen Schröder führt?

Wir führen die Kanzlerkandidaten-Diskussion jetzt nicht!

Frau Merkel war in den letzten Monaten in der programmatischen Diskussion in Leipzig und bei der politischen Führung im Ringen um die Steuerreform die beherrschende Figur in der Union. Zugegeben?

Was hat das mit zugeben zu tun? Wir sind sicher alle in der CDU sehr froh und zufrieden damit, dass wir eine starke Vorsitzende haben. Dass der Parteitag zu guten, nach vorn weisenden Ergebnissen kam, dass wir im Vermittlungsverfahren alle zusammengeblieben sind, was nicht selbstverständlich war, ist eine beachtliche politische Leistung. Wäre es irgendwo schief gegangen, hätten alle gesagt: Angela Merkel ist schuld! Doch es ist sehr gut gelaufen, also hat sie es wahrlich verdient, dass alle Beteiligten sagen: Damit muss sie etwas zu tun gehabt haben.

Hören wir richtig? Herr Koch ruft "Chapeau, Angela"?

Es gehört zu den medialen Spielchen, unentwegt nach Nuancen eines Gegeneinanders von Angela Merkel und Roland Koch zu suchen. Das geht mir, ich bitte um Verständnis, ziemlich auf den Nerv. Ich bin interessiert daran, dass die CDU gut in Form ist. Davon habe ich mit der absoluten Mehrheit in Hessen im Februar 2003 profitiert. Das wünsche ich auch allen Kollegen, die 2004 in eine Wahl müssen. Dazu brauchen wir eine handlungsfähige Führung. Die haben wir. Angela Merkel hat die CDU in eine gute Ausgangsposition gebracht für 2004. Darüber sind wir mal alle ganz glücklich, daher sind wir mit unserer Vorsitzenden zufrieden.

Haben Sie Frau Merkel eine Zeit lang unterschätzt, als Übergangsvorsitzende gesehen?

Ich habe sie nie als Übergangsvorsitzende gesehen. Und unterschätzt auch nicht.

Noch einmal: Hat sie unterm Strich der letzten Monate jene Statur gewonnen, die sie zur nächsten Kanzlerkandidatin macht?

Ich führe die Diskussion nicht. Mir geht es ziemlich auf den Geist, dass alles, was man irgendwo politisch macht, nur noch unter diesem Aspekt gesehen wird. Ich denke, das geht sogar Angela Merkel so ähnlich. Ändern lässt sich das leider nicht. Damit leben zu müssen ist ihr Job und ist mein Job.

Sie steht deutlich stärker da als vor einem Jahr und Roland Koch klar schwächer.

Ich befinde mich in keinem Wettkampf mit ihr. Sie ist stark, und ich bin als Ministerpräsident mit einer absoluten Mehrheit auch nicht gerade schwach. Also: Wir müssen uns nicht jeden Tag etwas tun.

Sie machen sich edler, als Sie sind.

Wir sind gemeinsam daran interessiert, dass die CDU möglichst schnell wieder die Verantwortung für die Bundespolitik übernimmt. Das ist unser gemeinsames Ziel, jenseits aller über uns gestreuten Gerüchte. Wir zeigen, wie groß die Potenziale der Union insgesamt sind. Über die Menschen in der Union kann der stern in jeder Ausgabe berichten, was sie auf die Beine stellen, was sie werden könnten und werden sollten. Wenn Sie die Trümmergarde von Rot-Grün betrachten, so könnten Sie die in einer Ausgabe abfeiern, und dann wäre das noch immer Papierverschwendung.

Sie sehen die Union also in Topform fürs Jahr 2004 mit 14 wichtigen Wahlen? Wir haben ausgezeichnete Chancen für die Europawahl, die fünf Landtagswahlen und die zahlreichen Kommunalwahlen in diesem Jahr. Wir werden 2004 sicher mehr Grund zur Freude haben als Kanzler Schröder und die SPD.

Auch in Hamburg, wo ja das Bündnis mit Schill kläglich gescheitert ist?

Ole von Beust hat die Chance, das erste Mal in Hamburg eine absolute Mehrheit für die CDU zu holen. Ich denke, diese Chance wird er wahrnehmen. Das wäre ein schöner Auftakt für das Jahr 2004, denn jede erste Wahl in einem Wahljahr ist von psychologischer Bedeutung für alle weiteren.

Und die Parteiführung kann die Parole ausgeben: Jetzt mal alle Klappe halten, bloß keinen Streit?

Ich sehe im Augenblick keinen Bedarf für streitige Diskussionen in der CDU.

Doch. Schröder hat der Union angeboten, eine richtig große Steuerreform schon zum 1. Januar 2005 zu machen.

Das ist ein typischer Schröder - große Worte, nichts dahinter. Er tönt nämlich, das machen wir nur, wenn die Opposition brav ist und vorher ihre Konzepte abliefert. Aber so läuft das nicht. Wenn der Kanzler eine große Steuerreform machen will, soll er erst mal einen Vorschlag machen, und zwar einen, den die SPD mitträgt. Er hat im Bundestag die Mehrheit und damit zu liefern. So ist die Verteilung zwischen Regierung und Opposition. Wenn er liefert, wird die CDU/CSU sagen, was geht und was nicht geht.

Unter dieser Bedingung stünden Sie aber dann als Reform-Partner zur Verfügung?

Ja! Es kann überhaupt keinen Zweifel geben, dass wir aus dem derzeitigen Korsett des Steuersystems heraus müssen. Das System ist unbrauchbar geworden. Aber Schröder muss erst mal sagen, was Gesprächsbasis ist. Mein Eindruck ist: Weil er gemerkt hat, dass das soeben beschlossene Mini-Steuerreförmchen die Bürger wenig beeindruckt, hat er schnell mal wieder einen großen, bunten Ballon aufgeblasen, um davon abzulenken.

Das Mini-Reförmchen hat die Union abgesegnet.

Ja, natürlich. Aber noch einmal machen wir eine Wischiwaschi-Reform nicht mit. Mit den im Vermittlungsverfahren möglichen Trippelschrittchen kommt Deutschland nicht voran. Wir müssen als Union sehr aufpassen, dass wir nicht in eine Mithaftung genommen werden können und Schröder sagen kann: Ich habe immer alles mit denen zusammen gemacht. Mal eine Notfalllösung mit Schröder geht, mit ihm zusammen Politik auf Dauer zu machen, das geht nicht.

Eine späte Einsicht. Haben Sie jetzt im Vermittlungsausschuss nicht die Basis dafür gelegt, dass Schröder sich wieder erholt und 2006 noch einmal gewinnen kann?

Das Risiko besteht. Da mussten wir abwägen: Können wir noch drei Jahre totalen Stillstand in Deutschland hinnehmen? Wir haben uns mit Bauchschmerzen dagegen entschieden und auf Blockade verzichtet. Wesentlich vorangekommen ist Deutschland dadurch nicht. Der verkrustete Arbeitsmarkt konnte nicht entscheidend aufgebrochen werden. Nur einen winzigen Fortschritt gibt es für kleine Unternehmen.

Was fordern Sie konkret bei der Steuerreform?

Das Gespräch mit Schröder macht nur Sinn, wenn er sagt, was mit der SPD geht. Sonst sollten wir den Bürgern sagen: Wir machen nur eine Steuerreform, die dem von Friedrich Merz vorgelegten Konzept entspricht - drei Steuerstufen, ein Höchststeuersatz von 36 Prozent und weg mit allen Steuerschlupflöchern. Bietet Schröder das nicht an, sagt er nicht klar, wie er sich die Eckpunkte seiner Steuerreform vorstellt, ist es besser zu sagen: Wir warten lieber auf die nächste Wahl. Lasst uns diese zu einer Volksabstimmung über dieses oder jenes Konzept machen.

Vorher muss die Union erst mal die Frage beantworten, ob die Merzsche Steuerreform zu bezahlen ist. Stoiber schätzt die Finanzierungslücke auf 24 Milliarden Euro.

Klar ist, dass 24 Milliarden auf einen Schlag nicht zu machen wären. Aber daran dürfte die große Steuerreform nicht scheitern. Wenn also tatsächlich eine solche Lücke gerechnet werden sollte, muss die große Steuerreform in Stufen eingeführt werden.

Könnten Sie sich vorstellen, vor der nächsten Bundestagswahl in einem Schattenkabinett Merkel aufzutreten?

Hab ich es mir doch gedacht, dass Sie es noch einmal durch die kalte Küche versuchen. Das ist unter den 150 Varianten, die Frage anzugehen, zwar eine interessante, aber sie führt zur gleichen Antwort wie zu Beginn dieses Interviews.

Also ja?

Also nein! Ich bin und bleibe hessischer Ministerpräsident. Punkt.

Interview: Hans-Ulrich Jörges/ Hans Peter Schütz