Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat nach dem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft in Mecklenburg-Vorpommern konservativen Politikern vorgeworfen, Hass gegen Geflüchtete zu bedienen und damit den Boden für solche Taten zu bereiten. Konkret mit Blick auf CDU-Chef Friedrich Merz sagte sie der "Rheinischen Post" (Freitag): "Wer Kriegsflüchtlinge fern aller Fakten als Sozialtouristen verleumdet, muss sich fragen lassen, welchen Anteil er hat an Hass und Hetze, die später in Gewalt mündet."
Merz hatte sich für seine Äußerung entschuldigt und sie als "unzutreffende Beschreibung eines in Einzelfällen zu beobachtenden Problems" bezeichnet.
Bei dem Feuer am Mittwochabend war in Groß Strömkendorf bei Wismar das ehemalige Hotel, in dem 14 ukrainische Geflüchtete untergebracht waren, fast komplett zerstört worden. Verletzt wurde niemand. Die Polizei geht von Brandstiftung aus und vermutet einen politischen Hintergrund. Der Staatsschutz ermittelt.
Saskia Esken beklagt Niveauverlust bei den Konservativen
Esken sagte zu der vermuteten Brandstiftung, es sei erschreckend, dass nicht nur "die rechtsextremen Verfassungsfeinde der AfD" Hass gegen Geflüchtete bedienten. "Zunehmend sinken auch konservative Politiker auf ein populistisches Niveau herab. Die Einlassungen der letzten Zeit zur Aufnahme von Schutzsuchenden in Deutschland sind verantwortungslos – und sie bereiten den Boden nicht nur für gesellschaftliche Spaltung, sondern letztlich auch für solch kriminelle Taten."
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Nach dem Feuer sollen am Freitag Zeugen vernommen und Proben vom Brandort im Labor untersucht werden. Erste Ergebnisse der Ermittlungen seien frühestens Anfang kommender Woche zu erwarten, sagte der Vizepräsident des Polizeipräsidiums Rostock, Michael Peters.
Mahnwache in Wismar an diesem Freitag nach Brand in Flüchtlingsheim
Am Nachmittag soll auf dem Wismarer Marktplatz eine Mahnwache stattfinden, zu der unter anderem die Integrationsbeauftragte der Landesregierung, Jana Michael, aufgerufen hat. Sie sei überzeugt, dass viele Menschen in Nordwestmecklenburg und im ganzen Land Hass und Hetze entschieden entgegentreten würden, sagte sie.
Zahlreiche Politiker hatten am Donnerstag ihre Bestürzung über den Brand ausgedrückt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte an, dass der Rechtsstaat mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln reagieren werde, sollte sich der Verdacht der Brandstiftung bestätigen.
Der Staatsschutz ermittelt unter anderem deshalb, weil es zwei Tage vor dem Feuer eine Hakenkreuz-Schmiererei am Schild vor der Flüchtlingsunterkunft gegeben hatte. Es werde in alle Richtungen ermittelt, hieß es. Dazu gehöre auch eine ungeklärte Brandserie in der Gegend. In den vergangenen Monaten hatte es mindestens sechs mutmaßliche Brandstiftungen gegeben, wie ein Sprecher des Landkreises Nordwestmecklenburg mitteilte. Betroffen waren demnach unter anderem ein Carport, eine Strohmiete und zuletzt am 7. Oktober ein leerstehendes Haus in einem Nachbarort von Groß Strömkendorf.

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Städte- und Gemeindebund betont: Hilfebereitschaft weiterhin groß
Trotz des verheerenden Feuers und der Kritik von SPD-Chefin Esken an der Rhetorik mancher Politiker gegenüber Menschen, die nach Deutschland migrieren – der Deutsche Städte- und Gemeindebund beobachtet aber auch weiterhin "eine große Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen, insbesondere gegenüber den Vertriebenen aus der Ukraine", wie Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Rheinischen Post" (Freitag) sagte. "Festzustellen ist allerdings, dass immer weniger Menschen bereit sind, Vertriebene privat aufzunehmen. Eine Stimmungsverschlechterung insgesamt können wir aber nicht feststellen."

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