Roland Koch gilt nicht gerade als ausgewiesener Freund von Kanzlerin Angela Merkel. Es wird im nachgesagt, dass er gerne Kanzler anstelle der Kanzlerin geworden wäre. Dennoch hat er ohne großes Murren an der großen Koalition mitgestrickt, war finanzpolitischer Unionssprecher bei den Koalitionsverhandlungen - immer loyal und Merkel ergeben.
Doch nun, die neue Regierung ist gerade drei Tage im Amt, schießt der Ministerpräsident aus der hessischen Hauptstadt gegen seine Parteichefin sowie gegen die ganze Koalition: "Mit der großen Koalition kann sich nichts tief greifendes ändern", sagte er. Und: "CDU/CSU und SPD sind so diametral entgegengesetzt in ihrer Programmatik, dass sie zusammen keine großen Reformen auf den Weg bringen können. Das ist völlig ausgeschlossen."
Die Attackierten reagieren demonstrativ gelassen auf die scharfe Kritik aus Wiesbaden. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zeigte sich am Donnerstag optimistisch, dass alle Minister im Kabinett von Merkel die große Koalition von Union und SPD zum Erfolg führen wollten. "Wir werden das hinkriegen“, sagte sie.
Dass die Querschüsse aus dem eigene Lager kommen, irritiert auch die Union nicht: Der neue Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, ist überzeugt davon, dass Koch das Regierungsbündnis nicht habe belasten wollen. "So wie ich Roland Koch kenne, ist er da missinterpretiert worden, und er hat das Gegenteil gemeint." Konziliant reagierte auch der neue Wirtschaftsminister Michael Glos. "Ich bin nicht spontan empört", sagte der CSU-Politiker.
In der Unionsspitze hieß es, nachdem Koch wegen seines starken Engagements in den Koalitionsverhandlungen sowohl von Merkel als auch von Seiten der SPD ausdrücklich gelobt worden sei, wolle er nun womöglich wieder sein Profil als Reformer stärken und sich nicht allzu sehr für die große Koalition vereinnahmen lassen. An mehreren Stellen in der Unionsführung wurde die Vermutung geäußert, dass sich Koch mit seinem Einsatz bei den schwierigen Verhandlungen über die Haushaltssanierung in Position habe bringen wollen für Zeiten einer möglichen Krise der Koalition.
"Koch will die neue Koalition sicher nicht belasten"
"Eines wollte Roland Koch sicher nicht: die neue Koalition mit irgendeiner Hypothek belasten", sagte CSU-Politiker Ramsauer. "Das passt überhaupt nicht zu seiner konstruktiven Rolle." Koch habe sich in den Verhandlungen mit der SPD über die äußerst wichtigen Haushalts- und Steuerfragen "als einer der allerkonstruktivsten Treiber" präsentiert.
Nun wolle er darauf hinweisen, dass die große Koalition vor großen Herausforderungen stehe und daher "einer großen Menge Segens" bedarf. Vermutlich seien auch aus München in nächster Zeit kritische Töne zu erwarten, sagte Ramsauer offenbar in Anspielung auf CSU-Chef Edmund Stoiber, der bereits mehrfach etwa mit Zweifeln an Merkels Weisungskompetenz als Kanzlerin für Unmut in den Reihen der Unionsparteien gesorgt hatte.