Für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine plant die Bundesregierung einen Ringtausch über das Partnerland Slowenien. Der Nato-Verbündete soll dabei den noch in der Sowjetunion entwickelten T-72-Kampfpanzer an Kiew liefern, wie die Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag aus Regierungskreisen erfuhr. Im Gegenzug soll die slowenische Armee dafür den Schützenpanzer Marder sowie den Radpanzer Fuchs aus Deutschland bekommen.
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) kündigte einen Ringtausch an, ohne allerdings Details zu nennen. "Da geht es um Panzer, da geht es um Schützenpanzer, da geht es um unterschiedliche Möglichkeiten, die einzelne Länder abzugeben haben", sagte sie am Donnerstagmorgen in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv. Zudem werde Deutschland ukrainische Soldaten an der Panzerhaubitze 2000 ausbilden, teilte sie mit. "Weil wir das Knowhow haben, um daran auszubilden. Das ist eine Möglichkeit, um auch diesen Support zu leisten", sagte Lambrecht.
Lieferung in den "nächsten Tagen"
Auf die Frage, wann die Ukraine diese Waffen erhalten solle, nannte sie "die nächsten Tage". Alle Militärexperten seien sich sicher, "dass die nächsten zwei Wochen entscheidende Wochen sind im Kampf der Ukraine gegen Russland, und diesen Kampf müssen wir unterstützen".
Später verwies Lambrecht dann nochmals auf den Vorteil der Ringtausch-Variante: "Es geht darum, dass es jetzt schnell geht, dass jetzt sofort schnellstmöglich Waffen geliefert werden", sagte sie vor Journalisten. "Und das ist eben möglich bei Beständen, die bei osteuropäischen Partnern vorhanden sind aus Sowjetzeiten." Hier sei dann auch "keine Ausbildung erforderlich", weil derartiges Gerät auch in der Ukraine bereits verwendet wird.
Das slowenische Verteidigungsministerium in Ljubljana wollte sich auf AFP-Anfrage nicht zu dem Geschäft äußern. Es verwies darauf, dass in der Nato Vertraulichkeit bei diesem Thema vereinbart worden sei. Slowenien verfügt nach Informationen slowenischer Medien über 46 T-72-Panzer in der jugoslawischen Variante M-84.
Debatte um Waffenlieferungen beherrscht die politische Diskussion
Die Frage, ob und in welcher Form Deutschland der Ukraine schwere Waffen zur Verfügung stellen will, beherrschte auch am Donnerstag die politische Diskussion. Angesichts der anschwellenden und immer lauter werdenden Kritik am tastenden Kurs von Bundeskanzler Olaf Scholz sah sich SPD-Parteichef Lars Klingbeil genötigt, Scholz beizuspringen. "Es ist richtig, dass wir in dieser jetzigen Situation einen Bundeskanzler haben, der mit Bedacht führt, der überlegt führt, der Sachen auch vom Ende her denkt, der sich abstimmt mit internationalen Partnern", sagte Klingbeil im ZDF-"Morgenmagazin". Auf komplexe Situationen gebe es keine einfachen Antworten.
"Ich bin froh, dass wir einen Bundeskanzler haben, der das durchdenkt, der das abspricht mit den Partnern", sagte Klingbeil. Deutschland habe in den letzten Wochen Lieferungen an die Ukraine in der Qualität und der Quantität deutlich erhöht. "Wir sehen, wie Russland gerade die Art der Kriegsführung verändert. Da müssen wir auch die Frage der Waffenlieferungen anpassen", betonte der SPD-Politiker.
Der Vorwurf: Scholz versucht, sich durchzulavieren
Zuletzt hatten sich auch aus dem europäischen Ausland die Stimmen gemehrt, die mit Scholz und seinem Kommunikationsstil hart ins Gericht gingen. "Deutschland beziehungsweise Scholz scheint immer noch nicht zu wissen, was nun zu tun ist", schreibt etwa die Tageszeitung "De Telegraaf" aus Amsterdam in einem Kommentar. Die "Neue Zürcher Zeitung" analysiert: "Wenn Olaf Scholz keine schweren Waffen liefern will, sollte er dies allerdings klar sagen und begründen. Stattdessen versucht der Kanzler, sich durchzulavieren. Man kennt das von seiner Vorgängerin Angela Merkel. Auch deren vermeintlich weitsichtiges Krisenmanagement war in Wahrheit in von Meinungsumfragen getriebenes Durchwursteln.

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Auch die italienische Zeitung "La Republica" nimmt Bezug auf Scholz' Vorgängerin: "Bei der Ukraine nimmt sich der Kanzler Zeit und blockiert alles und jeden mit der Feuerkraft von Europas Wirtschaft Nummer eins. Und vielleicht ist "scholzen" ein Verwandter von "merkeln", seiner Zeit auf Angela Merkel gemünzt. Kurzum ist es das Verb eines Deutschlands, das Europa beim Gasembargo und bei der Lieferung von Waffen an die Ukraine, den Eckpfeilern der Antwort des Westens auf Putin, zurückhält, um seine eigenen Interessen nicht zu beeinträchtigen.
Etwas zurückhaltender beurteilt die österreichische Tageszeitung "Der Standard" die Entwicklung im Nachbarland Deutschland: "Wer nicht Ratlosigkeit und Unsicherheit eingesteht, auch in Bezug auf die Lieferung von Kriegsgerät, ist vermutlich unehrlich oder fanatisch. Aber wenn die gesamte westliche Führung in die Logik verfallen sollte, dass die Lösung nur in einem härteren Krieg bestehen könne, birgt das mit Sicherheit die Gefahr, mögliche Auswege nicht zu finden und an ihnen vorbeizulaufen … Gut, wenn Politiker wie Scholz dabei kühlen Kopf bewahren.
Opposition nimmt Scholz' Schlingerkurs dankend an
Für die Opposition ist die mangelnde Geschlossenheit innerhalb der Ampelkoalition ein willkommenes Geschenk. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hat sich klar als Befürworter von Waffenlieferungen an die Ukraine positioniert. "Das ist nichts, was lange geprüft werden sollte", sagte Günther im ZDF-"Morgenmagazin und verband seine Forderung mit Kritik an der Bundesregierung und Kanzler Scholz: Er bemerke in der Bevölkerung in Deutschland eine "Verunsicherung" über den "sehr schlingernden Kurs" der Regierung. Es sei "offenkundig", dass der Bundeskanzler "in dieser wirklich sehr schwierigen Zeit nicht genügend führt", sagte Günther weiter.
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kritisierte das diffuse Erscheinungsbild von Scholz' Regierung. Die Bundesregierung brauche in der Frage nach Waffenlieferungen eine klare Linie, tägliches Streiten sei in dieser Situation der falsche Weg. Stattdessen gebe sie aber ein unentschlossenes Bild ab, dieses hinterlasse ein "seltsames Gefühl der Instabilität", betonte Söder. "Es braucht ein international abgestimmtes Vorgehen." Deutschland dürfe nicht hinterherhinken.